Slowakischer Abgeordneter bei "Maischberger" Slowakischer Abgeordneter bei "Maischberger": "Deutschland wird von Weicheiern regiert"

„218.000“, es ist eine Zahl, die wirken muss, „so viele Flüchtlinge sind alleine im Oktober über das Mittelmeer nach Europa gelangt.“ Mit diesen Worten eröffnet Sandra Maischberger die Gesprächsrunde, die klären soll, ob die Errichtung sogenannter „Transitzonen“, einer Art Registrierzentren an den deutschen Grenzen, Abhilfe zur Bewältigung des Flüchtlingsstroms schaffen kann. Am kommenden Donnerstag soll die Große Koalition dazu eine Entscheidung fällen. Was theoretisch klingt, wurde zu einer lautstarken Debatte über Menschlichkeit und Egoismus innerhalb der deutschen und europäischen Politik.
„Transitzonen sind Haftanstalten“
Selbst die im Studio anwesenden Vertreter aus den eigenen Reihen der Parteien wie der Innenpolitische Sprecher der CSU, Stephan Mayer, sowie Ralf Stegner, stellv. Bundesvorsitzende der SPD, sind sich einig: Keine der Regierungsparteien konnte bisher mit einer brauchbaren Lösung aufwarten. Auch „taz“-Journalistin Bettina Gaus bemängelt sowohl die Zwiespältigkeit der Union als auch die bürokratischen Hürden in Deutschland, die ihrer Meinung nach eine Lösung in naher Zukunft völlig utopisch erscheinen lassen.
Stegner sieht die umstrittenen Transitzonen als „Haftanstalten, die es mit der SPD nicht geben wird“. Mayer verweist darauf, dass Deutschland gesetzlich verpflichtet sei, etwas gegen den Ansturm zu unternehmen. Ob dann praktisch zwischen Flüchtlingen verschiedener Herkunftsländer unterschieden werden kann, vermag er auch nach mehrmaliger Nachfrage von Maischberger nicht zu beantworten. Dass das Bearbeitungsverfahren und die Abschiebung der nach seiner Ansicht ohnehin in der Mehrzahl aus sicheren Ländern eintreffenden Flüchtlinge nur noch sieben Tage mithilfe der Transitzonen dauern werde, ist er sich jedoch sicher.
Norbert Blüm, der als ehemaliger Bundesminister mit CDU-Zugehörigkeit die in Jahren gemessen größte politische Erfahrung mit in die Runde bringt, enttäuscht leider von praktischer Seite. Anstelle der von Maischberger immer wieder erfragten Lösungen für die deutschen Grenzen entgegnet er mit kleinbürgerlichen Ansichten und Parolen wie „Ich bin für Abrüstung“, die den Kern der Diskussion verfehlen.
Lesen Sie im nächsten Abschnitt, wie der slowakische Europaabgeordnete Richard Sulik polarisiert.
Das Thema „Große Koalition“ wird an vielen Stellen des Abends immer wieder auf Europa ausgeweitet. Nicht zuletzt aufgrund der Anwesenheit des liberalen slowakischen Europaabgeordneten Richard Sulik, der mit seinen drastischen Ansichten über Merkels Flüchtlingspolitik bereits medial für Schlagzeilen gesorgt hat. Er ist einer, der unverblümt Klartext spricht: „Deutschland wird von Weicheiern regiert“. Wegen der deutschen Politik der letzten beiden Monate fasse sich die ganze Welt an den Kopf.
Damit scheint er in der Runde zumindest bei CSU-Sprecher Mayer einen Nerv zu treffen. Dieser möchte mit Transitzonen und einem eigenen, wenn auch nicht von allen Parteien legitimierten System an den Landesgrenzen „Deutschland wieder einen Teil seiner Entscheidungsgewalt zurückgeben“. Sulik spricht sich für die Schließung an der Schengener Grenze aus, da ganz Europa dem Ansturm nicht gewachsen sei. Er plädiert für Auffanglager außerhalb der EU, um bereits in Nordafrika oder der Türkei den Ansturm abzuschwächen. Er wird noch deutlicher, wenn es um seine Haltung zur Asylpolitik geht: "Ich möchte nicht in einem Europa leben, wo mehr Muslime geboren werden als Christen."
Stegner betont, dass eine Beschleunigung des Bearbeitungsverfahrens auch ohne drastische Maßnahmen wie die Errichtung von Grenzzäunen möglich sein muss. Auch wenn die Ansichten des SPD-Vertreters deutlich demokratischer sind: Konkrete Lösungsvorschläge zum Grenzproblem scheint auch er nicht zu haben. Seine Einstellung bezeichnet der Slowake Sulik als „populistisches Gelaber“, das „gegen den Willen des eigenen Volkes ist.“
„Hilfe statt Streit“
Eine Video-Schalte an die deutsch-österreichische Grenze kommt da gerade recht. Der Blick richtet sich auf den stellv. Bürgermeister einer bayrischen Gemeinde, der Tag und Nacht im Einsatz ist, um die täglich rund 1.200 ankommenden Flüchtlinge zu betreuen und deren Verteilung zu koordinieren. Auf die laufende Diskussion im Studio angesprochen reagiert er „Wenn ich ihre Diskussionen im Hintergrund höre, wird mir glatt schlecht".
Er sieht die grundlegende Ursache in der schlechten Logistik bei der Verteilung der Flüchtlinge - nicht darin, dass Deutschland keine Kapazitäten habe, Menschen aufzunehmen. Er fordert aus Berlin „Hilfe statt Streit“ und ruft alle Bundesländer zur Mithilfe auf. Dieser ehrenamtliche Einsatz und dieses Paradebeispiel dafür, dass eine Aufnahme auch ohne Paragraphen-Wirrwarr funktionieren kann, scheint die Gäste zu erstaunen und erntet von SPD-Vertreter Stegner sogar Applaus.
Lesen Sie im nächsten Abschnitt, wie Norbert Blüm an die europäische Gesinnung appelliert.
Maischberger bemerkt in Anbetracht der europäischen Gesamthaltung, dass Merkel mit ihrer Politik isoliert dastehe. Sulik verschärft die These und behauptet, Merkel habe die Situation eskalieren lassen, indem sie suggeriere, „es können alle herkommen“. In diesem Punkt scheint die Kanzlerin jedoch auch aus der Opposition Unterstützung zu bekommen. Flüchtlinge seien schon immer unterwegs gewesen, daran haben auch die medialen Aussagen der Kanzlerin nichts geändert, betont Mayer.
Eine zweite Video-Schalte auf die griechische Insel Lesbos bestätigt, dass die Lösungsansätze über die einzelnen europäischen Landesgrenzen hinaus fehlen. Ein Schweizer Urlauber, der seit geraumer Zeit als Helfer auf der Insel tätig ist, bemängelt, dass keine internationale Einrichtung wie die UN vor Ort ist, um Hilfe für Flüchtlinge anzubieten. Hier gibt es also weitaus größere Lücken, die geschlossen werden müssen.
Die Journalistin Bettina Gaus analysiert das Kompetenzgerangel zwischen CSU und SPD und mahnt, die Problematik nicht nur als Bürokratie-Akt abzutun. Mit einer Politik der Begrenzung, die Flüchtlinge immer nur als Problempunkt auf der Agenda thematisiere, schüre man Feindbilder unter den Bürgern und animiere die rechten Randgruppen zum Handeln.
Auch wenn sich der Redeanteil von Blüm in Grenzen hielt, findet er treffende Worte zur übergeordneten Bedeutung des Konflikts: „Wer sich als Europäer in seinem Nationalstaat einbauen will“, so der Ex-Minister, „scheint in der Geschichte stehengeblieben zu sein.“