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Silbermond Silbermond: Die Stefanie-Symphonie

Von Steffen Könau 28.03.2012, 17:39

Halle (Saale)/MZ. - Böse, böse, böse. Wie eine Schiffssirene klingt die heulende Gitarrenrückkopplung, mit der alles beginnt. Dann setzt ein stoisch geprügeltes Schlagzeug ein, als hätten sich Nirvana im Nirwana wiedervereinigt.

Schließlich aber doch, nach 15 Sekunden: Ein knackiger Akkordwechsel, ein aufgeräumter Hohoho-Chor. Und dann ist sie da, die Stimme, die der Band Silbermond den Weg aus dem kleinen Bautzen in die großen Arenen ebnete. Stefanie Kloß singt von Eisbergen und von Straßen, von kalten Fassaden und von der Suche nach Liebe. Sie flüstert. Sie haucht. Die Melodie schwingt sich auf, sie bekommt Flügel. "Kommst Du mit / unter die Oberfläche / ich zeige Dir den Kern von mir", jauchzt die 27-Jährige. Ein Versprechen, das Silbermond in den folgenden 14 Titeln des neuen Albums "Himmel auf" einlösen, als gebe es nichts Leichteres.

Dabei liegt die Latte hoch, bei Album Nummer vier der Gruppe, die Mitte des letzten Jahrzehnts prototypisch für eine neue Welle deutscher Rockbands stand. Wie bei Tocotronic und Blumfeld wurde deutsch gesungen. Wie bei Juli oder Wir sind Helden füllten Frauen die Chefrolle am Mikrofon aus. Ostdeutsch war bei den Sachsen von Anfang an nur die Herkunft, ihr Erfolg aber war deutschlandweit. Das Debüt sprang sensationell auf Platz 2 der Charts, mit den Nachfolgealben "Laut gedacht" und "Nichts passiert" gelang es dem Quartett beide Male sogar, Platz 1 der Hitparade zu erreichen.

Doch die Welt hat sich weitergedreht, die jungen Wilden von gestern sind die etablierten Platzhirsche von heute. "Himmel auf" ist so auch eine Kampfansage: Es muss nicht alles immer noch schriller, es muss nicht noch lauter, skandalöser und provokanter. Es gibt auch ein Publikum für die Art Musik, die vor einem Vierteljahrhundert von Bands wie Silly, Roxette und den Cranberries erfunden wurde. Handwerklich perfekt, hochglanzpoliert, werthaltig über den Tag hinaus und inhaltlich ein Universum weit weg von der pubertären Kinderzimmerperspektive.

Bei Silbermond wird meist die Welt der normalen Menschen besungen, auch wenn ein Stück wie "Gegen" sich zu elektronischen Rhythmen mit kindischer Querköpfigkeit auseinandersetzt. Mit beiden Beinen auf der Erde zu stehen, muss nicht bedeuten, im Kopf nicht ab und zu mal ein paar Wolken fliegen zu lassen. "Jeden Morgen geht er durch diese Tür", singt Stefanie Kloß, "und jeden Morgen bleibt die Frage wofür". Die Rockband in der Erlebniswelt der Reihenhäuser, wo es okay ist, "aber schön ist es nicht".

Das Leben hätte mehr sein müssen, so klingt es aus den aneinandergereihten Ohrwürmern, die sich gegenseitig in Eingängigkeit übertrumpfen. Das Titelstück ist die Sehnsuchtsballade aller abhängig Beschäftigten, ein hymnisches Gegenstück zu Sillys "Raus aus der Spur", bei dem Kloß mal Kätzchen gibt und mal die Tigerin. "Wann reißt der Himmel auf / auch für mich" , erklärt der Refrain den traditionellen, aber diesmal kryptischen Zwei-Wort-Album-Titel. Da ist schon alles zu spät, spätestens nach dem zweiten Hören hat das Lied Haken im Hirn geschlagen.

Demselben Strickmuster folgt auch das simpel "Ja" betitelte Liebeslied, das sich von Reisers "Für immer und Dich" inspirieren lassen hat: "Ich atme Dich / ich brenn für Dich / ich leb für Dich", singt Stefanie Kloß und aus der klaviergetriebenen Ballade wächst in fünf Minuten ein dramatisches Stück Kuschelrock mit gedoppelten Stimmen, U2-Gitarren, einen Instrumentalteil in der Mitte und bedeutungsvollen Dynamikschnitten.

Das ist große Popmusik für Erwachsene, Musik, die sich nie schämt, Dinge beim Namen zu nennen. "Für Dich schlägt mein Herz", heißt es in einer weiteren Stephanie-Symphonie, danach sehnt sich ein Lied "Ans Meer", ein anderes ermutigt "Es geht weiter". Und nach diesem reifen Album wird das mit Sicherheit so kommen.

Silbermond live: 28. Juli bei den Dresdner Filmnächten und am 24. November in der Arena Leipzig