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Sidney Poitier Sidney Poitier: Rassismus als Lebensthema

Von Gisela Ostwald 14.02.2007, 14:03
Der amerikanische Schauspieler Sidney Poitier (Foto vom 12.03.2000) feiert am 20.02.2007 seinen 80. Geburtstag. (Archivfoto: dpa)
Der amerikanische Schauspieler Sidney Poitier (Foto vom 12.03.2000) feiert am 20.02.2007 seinen 80. Geburtstag. (Archivfoto: dpa) AFP

New York/dpa. - Sidneys Vater, der schon mehrere Kinder zu Grabe getragenhatte, besorgte bereits einen Schuhkarton für das Begräbnis seinesJüngsten. Nur die Mutter wollte nicht aufgeben. Sie zog eineWahrsagerin zu Rate, wie Poitier in seiner Biografie «The Measure ofa Man» erzählt. Was Evelyn Poitier aus den Karten erfuhr, reichte, umihren Kampfgeist für das Wohl des Jungen zu stärken.

«Mach Dir keine Sorgen um den Kleinen. Er wird es schaffen undgesund sein. Er wird in fast alle Winde der Erde ziehen und nebenKönigen einhergehen», zitiert der gefeierte Bühnen- und Filmstar dieProphezeiung, die ihm letztlich das Leben rettete. Jahrzehnte späterhat Sidney Poitier gesellschaftliche «Barrieren wie ein Hürdenläuferüberwunden», schrieb die «International Herald Tribune». Er war dererste US-Amerikaner mit dunkler Hautfarbe, der einen Oscar bekam undder mehr Geld verdiente als alle anderen Stars. Am Dienstag (20.2.)wird der hoch gewachsene und weiter gut aussehende Poitier 80.

Zu seinen «Erfolgen» zählt, dass er als erster Schwarzer in einemHollywood-Film eine Weiße küssen durfte. Zwar wurde die Szene 1967noch verschämt durch den Rückspiegel eines Taxis gedreht, aber siegehört in die Reihe jener «Durchbrüche», für die Bürgerrechtler ihnfeierten und für die manche Aktivisten der afro-amerikanischenBewegung ihn lange als angepassten «weißen Schwarzen» schmähten.

Wie alt er wurden musste, um Vorurteile zu überwinden undfestgefahrene Strukturen aufzuweichen, weiß der Star von Filmen wie«In der Hitze der Nacht» und «Porgy and Bess», «Flucht in Ketten» und«Der Schakal» angeblich selbst nicht so genau. Manche Dokumente gebensein Geburtsdatum mit dem 20. Februar 1924 an, in anderen ist dasJahr 1927 verzeichnet. Poitier sagt augenzwinkernd, er halte sich daraus. «Schließlich bin ich noch fit, also was soll's?»

Zu seiner Herkunft hat sich der Schauspieler aber immer bekannt.Auf der paradiesisch abgeschiedenen Cat Island der Bahamasbeheimatet, wuchs er in ärmlichen Verhältnissen als jüngstes von achtKindern auf. Sein Vater war Tomatenpflücker und konnte dieGroßfamilie eher schlecht als recht ernähren. Mit 13 musste Sidneydie Schule verlassen. Er schlug sich in Miami als Straßenverkäuferund Parkwächter durch, schuftete auf dem Bau und als Packer im Hafen.Später ließ er sich zum Krankengymnasten ausbilden, ging zur US-Armyund leiste bis 1945 Kriegsdienst.

Danach zog es Poitier ans Theater. Unbekümmert bewarb er sich amBroadway, wurde aber trotz seiner stattlichen Erscheinung wegen desdamals noch «schrecklichen» westindischen Akzents abgelehnt. Aber ergab nicht auf. Statt als Schauspieler ließ er sich im American NegroTheater als Nachtwächter anstellen: Sein Lohn bestand aus kostenlosemSchauspielunterricht. Nach ersten kleinen Nebenrollen wurde dieHartnäckigkeit belohnt. Harry Belafonte fiel in einem Broadway-Stückaus, und der damals völlig unbekannte Poitier durfte einspringen -die Chance seines Lebens.

Den Oscar bekam Poitier 1963 für die Darstellung eines schwarzenArbeiters auf der Farm weißer Nonnen: In Ralph Nelsons «Lilien aufdem Felde». Die Rassendiskriminierung in den USA war in weiterenbekannten Poitier-Filmen das zentrale Thema. In «Rat mal, wer zumEssen kommt», dem Film mit der schwarz-weißen Kuss-Szene, wirdPoitier dem betuchten Elternpaar Katharine Hepburn und Spencer Tracyals künftiger Schwiegersohn präsentiert. Im Krimi «In der Hitze derNacht» (ebenfalls 1967) musste sich Poitier als Kriminalexperte ausdem Norden gegen einen rassistischen Südstaaten-Sheriff (Rod Steiger)durchsetzen.

Da war er schon so populär, dass sich die Rollen- undGagenangebote überschlugen. 1969 galt er als höchstbezahlterFilmschauspieler der Welt. Auch als Regisseur war er erfolgreich. DerRuhm ist ihm bis heute nicht zu Kopf gestiegen. «Ich versuche immernoch, weiter zu lernen, die Dinge besser zu verstehen und selbstbesser zu werden», sagt Portier. (Autobiografie: «The Measure Of AMan», HarperSanFrancisco, ISBN 978-0-06-135790-9)