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Show mit Joko und Klaas Show mit Joko und Klaas: Steinbrück bei "Circus HalliGalli"

Von Thorsten Keller 17.09.2013, 04:45
Peer Steinbrück zu Gast bei Joko & Klaas im "Circus Halligalli" auf ProSieben.
Peer Steinbrück zu Gast bei Joko & Klaas im "Circus Halligalli" auf ProSieben. obs Lizenz

Köln. - Es ist natürlich purer Zufall, dass Pro Sieben am Abend jenes Tages, an dem der „Spiegel“ ein vernichtendes Porträt des SPD-Kanzlerkandidaten mit „Ansichten eines Clowns“ überschrieben hat, Peer Steinbrücks (schon am Donnerstag aufgezeichneten) Besuch in der Anarcho-Show „Circus HalliGalli“ versendet. Pro Sieben bewirbt die Sendung mit dem Slogan „Willkommen in der Manege des Wahnsinns“ - und kündigt Steinbrück auf der Halligalli-Website folgerichtig als „Mittelfinger-Star“an. 

Steinbrück, der unfallfrei die Showtreppe runter kommt und zwar mit Anzug und Krawatte, aber ohne besondere Körperspannung im braunen Ledersessel Platz nimmt, kommentiert den herzlichen Begrüßungs-Applaus des Studiopublikums mit milder Ironie  („Vielleicht verwechseln die mich“). Das beweist, dass er ordentlich vorbereitet ist, und Bescheid weiß über den Grundsound der Veranstaltung. Kaum eine Frage bringt den Zirkus so gut auf den Punkt wie jener ehrenrührig-lustige Vergleich mit Guido Westerwelle, der irgendwann mal im Dialog mit der Privatfernsehen schauenden Jugend den „Big Brother“-Container aufsuchte. „Haben Sie aus der Geschichte denn gar nichts gelernt?“

Bratwürste, Brötchen und Bier

Die Moderatoren Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt behandeln Steinbrück zwar konsequent unernst (er darf am Schluss in einen Fettnapf seiner Wahl treten), aber dennoch respektvoller und netter, als es der Sozialdemokrat in dieser Kampagne von den meisten Journalisten gewöhnt ist. Die Unterhaltung dreht sich zunächst um Bratwürste, Brötchen und Bier im Wahlkampf. Steinbrück wird ein Humpen Bier hingestellt, dieser bricht kamera-öffentlich eines seiner Versprechen (kein Alkohol trinken bis zum Wahlabend), nimmt aber nur einen winzigen Schluck. Na ja, was soll’s, Clinton hat auch nicht inhaliert.

Nach dem eher unpolitischen Vorglühen muss der Kanzlerkandidat dann doch ein paar inhaltsschwere Fragen beantworten. Ob man denn als Kanzler jederzeit zu 100 Prozent die Wahrheit sagen könne? Steinbrück stuft das große Wort mit W schlau herab (auf „Wahrhaftigkeit“) beteuert, schauspielern sollten Politiker nicht, sagt dann aber auch, mit Blick auf die Finanzkrise von 2008: „Es mag Situationen geben, wo Sie nicht alle Informationen auf den Tisch legen können, damit niemand nervös wird.“ Steinbrück selbst wird nicht nervös, er bleibt hanseatisch-cool, auch auf die Warum-tun-Sie-sich-das-an-Frage, er hätte sich doch auch „wie andere Männer über 60“ einfach ein Motorrad kaufen können.

Besonders schwungvoll wirkt seine Widerrede über das Gestalten-wollen und die soziale Unwucht in der Republik an dieser Stelle allerdings nicht.

Vielleicht nimmt der SPD-Politiker von diesem Kurzauftritt zwar keine Stimmen mit, aber doch wichtige Erkenntnisse, über den mysteriösen Jungwähler und wie man diesen am besten erreicht. Dafür sorgt der Einspielfilm „In vino veritas“. Im feinen Zwirn steht Klaas Heufer-Umlauf morgens um fünf vor einem Berliner Club, befragt Discogänger zur Bundestagswahl, und zwar „in einem Zustand, in dem sie am ehrlichsten sind.“ Die beste Pointe in diesem Circus Halligalli liefert dann auch nicht Steinbrück, sondern eine junge Frau auf die Fangfrage „Heute schon koaliert mit jemandem?“ „Mit dem Thomas“, antwortet sie. „War nett.“