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Show-Legende  Show-Legende : Warum Peter Alexander fast vergessen ist

Von Alexander Suckel 29.06.2016, 16:23
Mit Witz und Charme: Peter Alexander im Duett mit Caterina Valente
Mit Witz und Charme: Peter Alexander im Duett mit Caterina Valente Dieter Klar/dpa

Halle (Saale) - Es gibt ein Bild, das im Jahre 2011 in vielen deutschsprachigen Zeitungen erschienen ist: Es zeigt den Entertainer, Schauspieler, Parodisten und Sänger Peter Alexander, der am 12. Februar verstorben war, in einem Eichensarg. Die Familie ließ ihn auf dem Wiener Zentralfriedhof aufbahren, damit seine Fans von ihm Abschied nehmen konnten.

Tausende, teils extra nach Wien anreisende Verehrer und Verehrerinnen verneigten sich ein letztes Mal vor ihm. Beerdigt wurde er hingegen nicht auf dem Zentralfriedhof, von jeher der Platz, an dem alle österreichischen Nationalheiligen ihre letzte Ruhestätte finden, von Franz Schubert, Johann Strauß und Karl Kraus bis Bruno Kreisky. Nein, Peter Alexanders Grab steht auf dem eher unspektakulären Grinzinger Friedhof im Wiener 19. Bezirk.

Bescheidener Abschied

Eine der größten Karrieren im Showbusiness der Nachkriegszeit war still, leise und bescheiden zu Ende gegangen. Die große Geste, ein Ehrengrab der Stadt Wien, wäre ihm nicht recht gewesen. Nach dem Tod seiner Frau und Managerin Hildegarde Haagen (2003) hatte er sich zurückgezogen, mied die Öffentlichkeit. Freilich mied auch die Öffentlichkeit ihn, begann ihn zu Lebzeiten zu vergessen, weil die televisionären Weihestunden unbekümmerten Frohsinns und brachialer Heiterkeit einer neuen TV-Realität weichen mussten.

Eine Karriere, wie die des am 30. Juni 1926 geborenen Peter Alexander Ferdinand Maximilian Neumayer ist heute kaum mehr vorstellbar. Allein in Deutschland wurden 46 Millionen Tonträger verkauft. Zu den legendären „Peter-Alexander-Shows“ im WDR, später im ZDF, versammelten sich bis zu 38 Millionen Fernsehzuschauer. Einschaltquoten, wie sie heute höchstens noch der Fußball erreichen kann. 156 Singles und 120 LPs umfasst das Gesamtwerk, dazu 38 Filme.

Einen wie ihn brauchte das Nachkriegsdeutschland dringend, und mit Peter Alexander hat es einen Unterhalter bekommen, der zwar Frank Sinatra als eines seiner großen Idole benannt hatte (er hatte ihn 1950 in London gesehen), aber mitnichten wie dieser die Amoralität mit dem Whiskyglas in der Hand zelebrierte.

Undenkbar sind Frauengeschichten und Alkoholexzesse wie die des legendären Rat Packs. Alexander lebte beschaulich mit Frau und zwei Kindern im Schweizerischen Tessin, er blieb 51 Jahre lang mit der gleichen Frau verheiratet und schätzte Schweinebraten und ein Glas Rotwein. Die Fernsehbranche dankte ihm sein identitätsstiftendes und quotenträchtiges Wirken mit zehn Bambis und vier Goldenen Kameras.

Die Liste seiner großen Hits liest sich wie der Soundtrack einer in Schwarzwälder Kirsch gegossenen Sehnsucht nach Vergessen und Verdrängen der Kriegsjahre: „Irgendwo brennt für jeden ein Licht“, „Der Tag der kleinen Helden“, „Der Papa wird’s schon richten“ oder „Sag beim Abschied leise Servus“.

Mit seinem wohl populärsten Titel „Die kleine Kneipe“ zeichnet er das Bild, das die Deutschen gerne von sich gehabt hätten: harmlos, friedlich, bescheiden.

„Die kleine Kneipe in unserer Straße/ Da wo das Leben noch lebenswert ist/ Dort in der Kneipe in unserer Straße/ Da fragt Dich keiner was Du hast oder bist/ Die Postkarten dort an der Wand in der Ecke/ das Foto vom Fußballverein/ Das Stimmgewirr, die Musik aus der Jukebox/ All das ist ein Stückchen daheim.“

Einem wie ihm verzieh man nahezu alles, der Hang zu wahlweise Gefühligkeit oder Blödelei. Charmant und lustig kam er daher mit nicht viel mehr im Gepäck als der Botschaft, das Leben nicht allzu schwer zu nehmen.

Er beschwor das kleine Glück, das er selber vorlebte und wahrscheinlich muss es auch als große kulturelle Leistung gelten, noch mit über 60 in der Wahrnehmung des Publikums als der Mann mit dem unwiderstehlichen Lausbubencharme durchzugehen.

Unerschütterlicher Frohsinn

Als Showmaster und unerschütterlicher Moderator des betonierten Frohsinns war er schlichtweg eine Idealbesetzung, nicht so anzüglich wie Hans-Joachim Kuhlenkampff, nicht so anarchisch wie Rudi Carrell, nicht so schnarrend kasernenhofartig im Tonfall wie Dieter Thomas Heck.

Es ist wohlfeil, die Nase zu rümpfen über diese Jahrzehnte währende Betriebsamkeit im Dienste der guten Laune. Was gerne übersehen wird, ist die Tatsache, dass Peter Alexander als Schauspieler ein begnadetes Talent war. (Seine Schauspielausbildung erhielt er am renommierten Max-Reinhard-Seminar in Wien.) Man hätte sich gewünscht, dass die jungen Filmemacher der 60er und 70er Jahre von Fassbinder bis Herzog dies erkannt hätten. In der legendären Verfilmung des „Weißen Rössls“ aus dem Jahr 1960 ist er als Zahlkellner Leopold zu sehen und auch heute noch mutet die atemberaubende Geschwindigkeit seines Spiels, seine enorme Körperlichkeit an wie ein lustvoll-anarchischer Angriff auf die Behäbigkeit des Erzählens dieser Jahre.

Doch eine Karriere, die unter Cineasten Gnade und Anerkennung findet, blieb ihm versagt. Und so sind es eben jene Unterhaltungsfilme von „Liebe, Tanz und 1 000 Schlager“ (1955) über „So ein Millionär hat’s schwer“ (1958) bis zu Pennäler-Filmen wie „Hurra, die Schule brennt“ (1969), die Graf-Bobby-Serie und Operettenadaptionen, die sich im Bewusstsein der Zuschauer verankert haben.

Peter Alexander spendete Trost und unterhielt sein Publikum. Sage niemand, dass dies in der Gegenwart nicht mehr gebraucht wird. Jetzt wäre er 90 Jahre alt geworden. (mz)

Der Autor Alexander Suckel wurde 1969 in Halle geboren, studierte Musikwissenschaft sowie Opernregie und ist seit 2011 Musikalischer Leiter und Regisseur am Neuen Theater Halle.