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Sergiu Celibidache Sergiu Celibidache: «Meister der Tempi»

08.08.2006, 07:04
Der ehemalige Münchner Generalmusikdirektor Sergiu Celibidache drigiert bei einer Probe mit den Münchner Philharmonikern. (Archivfoto vom 10.01.1996). (Foto: dpa)
Der ehemalige Münchner Generalmusikdirektor Sergiu Celibidache drigiert bei einer Probe mit den Münchner Philharmonikern. (Archivfoto vom 10.01.1996). (Foto: dpa) dpa

München/dpa. - DochCelibidaches sehnlichster Wunsch, Furtwänglers Nachfolger bei denBerliner Philharmonikern zu werden, erfüllte sich nicht. Die Musikerentschieden sich für Herbert von Karajan. Dafür führte Celibidache,der vor zehn Jahren - am 14. August 1996 - im Alter von 84 Jahren inseiner Wahlheimat südlich von Paris starb, die MünchnerPhilharmoniker zu Weltruhm.

Mit Celibidache verlor die Musikwelt einen der ganz großencharismatischen Dirigenten. Seine weltweiten Tourneen mit denMünchner Philharmonikern glichen Triumphzügen. Beifallsstürmebrandeten auf, kaum dass der Maestro das Podium erklommen hatte. Als«Zauberer des Taktstocks» und «Meister der Tempi» wurde er weltweitvon der Kritik wie von Konzertgängern gleichermaßen verehrt.«Deutschland verliert mit Sergiu Celibidache einen seinerbedeutendsten musikalischen Botschafter», schrieb der damaligeBundeskanzler Helmut Kohl an die Witwe des Dirigenten.

Unter Celibidache verschmolzen die Münchner Philharmoniker zueinem der weltweit gefragtesten deutschen Klangkörper. Für viele, sofür den Cellisten Jörg Eggebrecht, war es eine «Erfüllung, unterdiesem Genie spielen zu dürfen». In seinem Element war Celibidache,der lästigen Fotografen und kritischen Fragern stets ungnädigbegegnete, immer dann, wenn er, die weißen Haare strengzurückgekämmt, auf seinem Stuhl vor dem Orchester thronte undauswendig probierte, dozierte und dirigierte: «Da wusste man wieder,warum man Musiker geworden ist.»

Der gebürtige Rumäne, der in einer ehemaligen Mühle bei Parislebte, leistete seit 1979 als Chefdirigent der Philharmoniker in derIsar-Metropole Überragendes - trotz immer wieder auftretenderDissonanzen. «Wir müssen durch allerlei Wechselbäder hindurch, umdiesen singulären Mann für die Musikstadt München zu halten», hatteeinmal ein früherer Kulturreferent über den als schwierig geltendenNonkonformisten und musikalischen Pedanten Celibidache gesagt. Anseinem 80. Geburtstag ehrte die bayerische Landeshauptstadt ihrmusikalisches Aushängeschild mit der Ehrenbürgerwürde.

Über Paris kam der Musiker als noch unbekannter Dirigent nachBerlin, wo er an der Spitze der Philharmoniker fünf Jahre lang eineder populärsten und faszinierendsten Erscheinungen der Zeit nach demKrieg war - bis Furtwängler das von «Celi» zuvor auf Hochformgebrachte Orchester dann wieder übernahm. Doch in Berlin erlebte derMaestro auch seine wohl bittersten Stunden, als nicht er, sondernKarajan Nachfolger Furtwänglers wurde. Diese Wunde saß tief, und erst1992 kehrte er nach 37 Jahren an das Pult der Berliner Philharmonikerzurück, anlässlich eines Benefizkonzertes zu Gunsten rumänischerKinderheime.

Nach Berlin und vor München wirkte der Dirigent, der Kollegenmanchmal mangelnde Fähigkeiten im Notenlesen vorhielt, als begehrterund hoch bezahlter Gastdirigent, der sich in Rom, Schweden undStuttgart wieder stärker band. Seine Abneigung gegen jede Art vonTonkonserven machten den «Guru der Musik» und unbequemen Querdenkerzu einem Außenseiter unter den großen Dirigenten. Für Celibidachezählte nur der Augenblick des Empfindens, so dass es zu Lebzeitenkaum Aufnahmen von seinen Konzerten gab. «Jede Note ist einSolarsystem, und nur im Langsamen liegt der Reichtum der Musik», warsein künstlerisches Credo.

Die Sommerakademie der Jungen Münchner Philharmonie erinnert miteinem Konzert im Herkulessaal der Münchner Residenz am kommendenMontag an den zehnten Todestag Celibidaches. Dabei wird erstmals diesymphonische Dichtung «Der Taschengarten» des Dirigenten erklingen.Außerdem steht die achte Symphonie von Anton Bruckner auf demProgramm.