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Selbstbewusst Selbstbewusst: Berlins Rapperin mit Kopftuch

Von Aygül Cizmecioglu 14.03.2007, 12:30
Das Ziel von Sahira Awad: die deutsche R'n'B-Szene erobern. Unter dem Label "Imanimusic", zu deutsch: Glaubensmusik, vertreibt sie ihre erste eigene CD "Frei Schnauze". (Foto: dpa)
Das Ziel von Sahira Awad: die deutsche R'n'B-Szene erobern. Unter dem Label "Imanimusic", zu deutsch: Glaubensmusik, vertreibt sie ihre erste eigene CD "Frei Schnauze". (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Berlin/dpa. - Sie trägt Kopftuch und hat schon mit Rap-StarBushido zusammengearbeitet. Sahira Awad gehört zu Berlinserfolgreichsten HipHop-Musikerinnen. Sie ist gläubige Muslimin, dasKopftuch trägt sie aus Überzeugung. In der von Männern dominiertenHipHop-Szene wäre die Sängerin auch ohne die religiöse Kopfbedeckungein Exot. Jahrelang trug Sahira ihre Haare offen. Für sie ist daskein Widerspruch zu ihrem Interesse am Islam. Schon als Kind mochtesie den Klang des «Ezan», des Gebetsrufs.

In ihrem Studio in Charlottenburg wippt die 27-Jährige - brauneRehaugen, modische Jeans und eng anlegtes Kopftuch (das «Hidschab») -zu den selbstkomponierten Beats. Sie sprüht nur so vorSelbstbewusstsein. Der 11. September 2001 war ein Wendepunkt in ihremLeben. Sie empfand wie viele, dass der Islam nach den Anschlägen zurTerror-Religion stilisiert und Muslime pauschal verdächtig wurden.Die junge Frau wollte sich ein eigenes Bild machen und fing an, denKoran zu studieren. Ihr gefielen die Spiritualität und derFriedensgedanke der Weltreligion.

Sahira begann zu beten - fünf Mal am Tag - und irgendwann setztesie auch das Kopftuch auf. «Für mich ist das Freiheit, und ich würdemich unwohl fühlen, wenn ich jetzt einen Minirock anhätte. Das istmein Kopf, mein Haar, meine Entscheidung», sagt Sahira. Sie ist inBerlin geboren, als Tochter palästinensischer Eltern, und inWilmersdorf aufgewachsen. Diese förderten die schulischen Leistungender acht Kinder, achteten darauf, dass sie alle perfekt Deutschlernten.

Die Mutter trägt kein Kopftuch, auch einige ihrer Schwesternnicht, wie die Musikerin erzählt. Die anderen sind religiöser, habensich für das Tuch entschieden. Dass Sahira inzwischen alleinerziehende Mutter eines Sohnes ist, sei für die Familie keineSchande, sondern Antrieb, sie zu unterstützen, zum Beispiel, wennwieder Konzerte oder Proben anstehen. So viel Toleranz würde sichSahira auch in der Kopftuch-Debatte wünschen.

Sie kennt auch die Argumente der Gegner wie der türkischstämmigenBundestagsabgeordneten Ekin Deligöz. «Für viele von uns Musliminnensteht es für Unterdrückung, Patriarchat und Frauenfeindlichkeit»,urteilte die Grünen-Politikerin über das Kopftuch, das für sie nichtan Schulen gehört. Deligöz' klare Meinung verärgerte strenggläubigeMuslime, die Politikerin erhielt sogar Morddrohungen. «Ich finde dasganz schrecklich», sagt Sahira. Auch wenn sie Deligöz' Auffassungnicht teilt, verurteilt sie die Art, wie darauf reagiert wird.

Schon oft hat die junge Frau Verunsicherung bei ihren Mitmenschenausgemacht, wenn diese ihr Kopftuch sahen. Bei Bewerbungsgesprächensei das Stück Stoff häufig ein Hindernis gewesen. Ganz anders in derMusikwelt: In der HipHop-Szene falle das Tuch nicht weiter insGewicht, erzählt die Sängerin. Sie hat sich mit ihrer Musik schonfrüh Respekt bei den männlichen Kollegen verschafft. Mit 15 fing siean, Songs zu schreiben und diese auf Kassetten aufzunehmen. Siewurden in der Schule weitergereicht und landeten irgendwann bei einemMusikproduzenten.

Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen sindGewaltverherrlichung und Machotum in den Songs von Sahira tabu.Vielmehr reflektiert sie das Leben um sie herum - Perspektivlosigkeitunter Jugendlichen, Generationskonflikte und vor allem die Frage nachden Wurzeln. «Elhamdüllilah, Frei Schnauze. Berlin, ja das ist meinZuhause», singt sie auf ihrem Debütalbum «Frei Schnauze!». «Heimatist für mich immer da, wo ich nicht anecke und mich als Ganzes fühlenkann, also hier in Deutschland. Es ist nur komisch, dass man in derÖffentlichkeit selten als Teil dieses Landes wahrgenommen wird. Wennwir in den Medien auftauchen, dann immer nur als unterdrückte Töchteroder kriminelle Arbeitslose.»

Deswegen will sie ein Vorbild sein, zeigen, dass eine gläubigeMuslima genauso emanzipiert und selbstbestimmt sein kann wie andereFrauen. Inzwischen hat die Musikerin ein eigenes Label gegründet,«Imani Music» heißt es. Imani kommt aus dem Arabischen und bedeutet«mein Glaube» - der Glaube an Gott und an sich selbst.