Schweizer Autor Schweizer Autor: Thomas Hürlimann eckt an

Zürich/dpa. - Er ist im Wortsinn ein «enfant terrible»(schreckliches Kind), denn der Autor Thomas Hürlimann brüskierte mitzwei Werken gerade auch seine Familie. Der Schweizer, der am 21.Dezember 60 Jahre alt wird, erhielt zahlreiche Auszeichnungen,darunter 2001 den höchstdotierten deutschen Literaturpreis, denJoseph-Breitbach-Preis.
Für einen Eklat in der Schweiz sorgte sein politischer Roman «Dergroße Kater» (1998), in dem es um Macht, Intrigen in der Politik,Liebe und Menschlichkeit geht. Zwei Tage eines SchweizerBundespräsidenten werden dort beschrieben, die unverkennbarParallelen zu seinem Vater Hans aufweisen, der 1979 das höchstepolitische Amt der Schweiz innehatte. Erst recht fühlte sich seinOnkel Johannes Duft, angesehener Bibliothekar der StiftsbibliothekSt. Gallen, durch die Novelle «Fräulein Stark» (2001) bloßgestellt.Er reagierte mit einer grollenden Erwiderung, die dem Werk einenzusätzlichen Schub verlieh.
«Der Autor kann sich seinen Stoff nicht wählen, der Stoff wähltden Autor, das ist wie beim Träumen», sagte Hürlimann derNachrichtenagentur dpa. Hürlimann arbeitet sich an der eigenenBiografie ab - nicht immer schmeichelhaft für die Beteiligten, denenes schwerfällt, sich als literarische Figur zu begreifen.
Der Onkel und seine Haushälterin jedenfalls fanden sichunvorteilhaft gezeichnet in einem Werk, das die Annäherung einespubertierenden Jungen an das weibliche Geschlecht beschreibt: ZumSchutz des kostbaren Parketts der barocken Stiftsbibliothek streiftder Neffe den Besuchern Filzpantoffeln über und genießt dabei manchenBlick unter die Röcke der Damen.
Hürlimann debütierte 1981 mit dem Erzählband «Die Tessinerin». Esfolgten die Novelle «Das Gartenhaus» (1989) und die Erzählungen «DieSatellitenstadt» (1992). Der Roman «Der große Kater» wurde mit BrunoGanz in der Hauptrolle verfilmt und hatte im Januar 2010 in BernPremiere. Hürlimann schrieb neben Stücken für das Theater wie «DerFranzos im Ybrig» (1995) oder «Das Einsiedler Welttheater» (2000,überarbeitet 2007) unter anderem den Roman «Vierzig Rosen» (2006) undden Geschichtenband «Dämmerschoppen» (2009).
Der in Zug geborene Hürlimann flüchtete früh aus der Enge derSchweiz. Nach acht Jahren in der Stiftsschule des Klosters Einsiedelnim Kanton Schwyz und einem abgebrochenen Philosophie-Studium inZürich und Berlin lebt er seit 1974 mit einer längeren Unterbrechungweitgehend in der deutschen Hauptstadt. Es gibt Pendelausflüge in dieHeimat, die er thematisch immer wieder umkreist. «Wenn ich über dieSchweiz schreibe, dann bin ich ganz gern außerhalb», sagt er - unddass er dieses «Zwischen» als ein «doppelt Fremder» schätze.
Sein Geburtstag bedeutet Hürlimann nichts. «Das nächste wichtigeDatum ist für mich, wenn der Roman fertig ist, an dem ich jetztarbeite», betont er. Über den Stoff will er nichts sagen: «Da bin ichabergläubisch.» Obwohl Hürlimann schon lange in Deutschland lebt,kann er den Schweizer nicht verleugnen. Sein Akzent verrät ihn. «Ichmag diese Distanz, die ich zum Hochdeutschen habe», sagt einer, derdas einzelne Wort auskostet und es damit kostbar macht.