Schauspieler Schauspieler: Ulrich Mühe erliegt überraschend seinem Krebsleiden

Berlin/dpa. - Nach Angaben seiner Familie wurde er bereits am Mittwochbeigesetzt. Mühe, der seine Laufbahn bereits zu DDR-Zeiten begann,spielte viele Rollen in Film, Fernsehen und auf der Bühne. EinemMillionenpublikum wurde er als Rechtsmediziner in der ZDF-Krimiserie«Der letzte Zeuge» bekannt. Der frühe Tod des Schauspielers, der sichzur Wendezeit gegen das SED-Regime engagiert hatte, löste nicht nurin der Filmbranche tiefe Betroffenheit aus. Die Behörde für dieStasi-Unterlagen würdigte Mühes Verdienste um die Aufarbeitung derSED-Diktatur.
Vor wenigen Tagen hatte sich der Schauspieler erstmals öffentlichüber seine Krebserkrankung geäußert, nachdem über seinenGesundheitszustand viel spekuliert worden war. Die Familie teiltemit, Mühe sei auf eigenen Wunsch im engsten Kreis der Angehörigenbeigesetzt worden. «Wir bitten Freunde und Kollegen um Verständnis»,hieß es in einer Erklärung. Nähere Angaben machte die Familie nicht.
Mühe, 1953 in Grimma geboren, war im Theater, Fernsehen und Kinoin zahlreichen Rollen zu sehen. Mit seiner enormen Wandlungsfähigkeitbeeindruckte er Publikum wie Kritiker immer wieder aufs Neue. SeineLaufbahn begann am Theater in Chemnitz und führte ihn über dasDeutsche Theater Berlin bis ans Burgtheater Wien. Er überzeugte inklassischen Rollen, ob als Hamlet oder Egmont, genauso wie inzahlreichen Film- und Fernsehrollen, darunter Bernhard Wickis «DasSpinnennetz», in der Verfilmung des Hochhuth-Dramas «DerStellvertreter» sowie in Komödien wie 2007 in Dani Levys Hitler-Satire «Mein Führer».
Hollywood wurde auf den Darsteller aufmerksam bei der Oscar-Verleihung, als Florian Henckel von Donnersmarck dieses Jahr für seinStasi-Drama ausgezeichnet wurde. Mühe spielt in dem Film, der denÜberwachungsapparat der DDR schildert, einen Stasi-Hauptmann. DieBehörde für die Stasi-Unterlagen würdigte diese Rolle als «wichtigenBeitrag für die Aufarbeitung der SED-Diktatur und ihresRepressionsapparates». Unzählige Menschen hätten durch den Film undseine überzeugenden Darsteller verstanden, «welche katastrophalenAuswirkungen die SED-Diktatur auf das Leben in der DDR gehabt hat»,hieß es am Mittwoch einer Stellungnahme.
Die Schauspielerin Martina Gedeck zeigte sich über den Tod desKollegen bestürzt. «Ich habe wahnsinnig gern mit ihm gespielt, seinSpiel war von ungeheurer Klarheit und Eleganz, es war einzigartig»,ließ die Agentin Gedecks mitteilen. «Und er war ein wunderbarerPartner. Ich vermisse ihn sehr. Sein Tod ist ein schwerer Verlust füruns alle.» Donnersmarck, der mittlerweile in den USA lebt, zeigtesich vom Tod Mühes betroffen, wollte sich aber zunächst nichtöffentlich äußern.
Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) nannte Mühe «einen derganz großen Film-, Fernseh-und Bühnenschauspieler und einenbeeindruckenden Menschen». Mit seiner Kunst und der ihm eigenenenormen Wandlungsfähigkeit, mit seiner leisen und bescheidenen Art,habe Mühe das Publikum und die Kritiker immer wieder aufs Neuefasziniert. «Ulrich Mühe wird vor allem für Cineasten und Freunde desTheaters unvergessen bleiben», sagte Neumann laut einer Mitteilung.
In den vergangenen Wochen hatte es immer wieder Gerüchte über einmögliches Krebsleiden gegeben. Erst vor wenigen Tagen ließ Mühe überseine Agentur erklären: «Ja, ich habe Krebs, ich unterziehe mich denentsprechenden Therapien und hoffe, dass es mir bald wieder bessergeht.» Er verbringe sehr viel Zeit mit seinen fünf Kindern und seinerFrau. Mühe bat außerdem darum, ihm Ruhe und Zeit mit seiner Familiezu geben. «Wir sind alle sehr betroffen», sagte eine Nachbarin derFamilie in Walbeck, die nicht mit Namen genannt werden wollte.
Mühe war zuletzt mit der Schauspielerin Susanne Lotharverheiratet. Er hinterlässt fünf Kinder aus drei Ehen, darunter dieSchauspielerin Anna Maria Mühe. Mit seiner Exfrau Jenny Gröllmann -der Mutter Annas, die 2006 an Krebs starb - hatte sich Mühe vorGericht gestritten. Gröllmann wehrte sich erfolgreich dagegen, dasssie von Mühe als IM (Stasi-Spitzel) bezeichnet worden war. DerGerichtsstreit sorgte für viele Schlagzeilen.
Mühe galt als politisch engagierter Künstler, wie auch aus denReaktionen zu seinem Tod deutlich wurde. Die Akademie der Künste,deren Mitglied er war, erinnerte an Mühes Rede auf dem Alexanderplatzam 4. November 1989. Dort erklärte der Schauspieler vor einer halbenMillion Demonstranten seine Absage an den Führungsanspruch der SED.Mühe sollte in wenigen Wochen Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Grimmawerden.
