Zum Tod von Manfred Krug Schauspieler Manfred Krug tot: Er war Star in DDR und BRD
Halle (Saale) - Er war ein Star, und daran hat Manfred Krug nie einen Zweifel gelassen. Nur für den Fall, dass es jemand nicht mitbekommen haben sollte. Ein zärtliches Großmaul, das bei allem Auftrumpfen, all seinem überwältigenden Charme zugleich aber höchst sensibel war. Eine Diva eben, wie man das Damen seiner Liga attestiert.
Und er war immer präsent: Im Osten sowieso, es ist unmöglich, alle Defa- und Fernsehfilme aufzuzählen, gelungene wie „Spur der Steine“ und auch weniger gute, in denen er dort mitgewirkt hat.
Und im Westen, wohin er 1977 übersiedelte, ging es nahtlos weiter mit großem Erfolg als „Tatort“-Kommissar und als schrulliger, knurriger, großartiger Anwalt in „Liebling Kreuzberg“, geschrieben von Krugs Freund Jurek Becker.
Manfred Krug: Ein Star in DDR und BRD, nicht nur als Schauspieler, auch als Sänger
Und auf der Bühne, als Sänger, war er nicht minder präsent - bis zuletzt, über seine schwere Krankheit hinaus, von der er doch wieder genesen schien. Jetzt, am vergangenen Freitag schon, ist er 79-jährig in Berlin gestorben. Im Kreis seiner Familie. So, wie er sich das gewünscht hatte für den Tag, an dem sein Leben, das er so liebte und in vollen Zügen genoss, einmal zu Ende gehen würde.
Manfred Krug hat man sich im Osten schon früh nahe fühlen können. Jährlich tourte der bullige Kerl, dem man den gelernten Stahlschmelzer sofort abkaufte, als Sänger gefühlvoller, zarter Jazzballaden durch die Kulturhäuser des Arbeiter- und Bauernstaates - gemeinsam mit der wunderbaren Uschi Brüning, dahinter Spitzenmusiker um die Bandleader Klaus Lenz und Günther Fischer.
Wer Krug nur einmal „Das war nur ein Moment“ hat singen hören, ein populäres Jazzstück oder einen Evergreen - er war gefangen.
Das war eine andere Welt, in der sich DDR-Teenager in den 70er Jahren viel wohler fühlten als im blauen Hemd der FDJ. Und auch für Krug und Kollegen selbst müssen diese Auftritte etwas ganz Besonderes gewesen sein. Sonst wäre der Zauber nicht entstanden, den wohl keiner der begeisterten Zuhörer jemals vergessen hat.
Ganz am Ende seiner DDR-Karriere, in der kalten Zeit nach dem 1976er Herbst mit der Biermann-Ausbürgerung, gegen die Krug wie viele andere Künstler protestiert hatte, hat der Sänger noch ein paar Konzerte geben dürfen, auch im Klubhaus von Leuna, wenn der Autor sich richtig erinnert - die ersten Stuhlreihen waren besetzt mit jungen, wachsamen Männern in den charakteristischen Dederon-Anoraks, die einander auf so komische Weise ähnlich sahen.
Manfred Krug: Er war populär in der DDR und setzte sich auch in der BRD durch
Die DDR-Behörden wollten nichts anbrennen lassen, sie wussten um die Popularität dieses Mannes, den sie ungern gehen ließen - und dann eben doch froh darüber waren, dass er fort wollte: Ein Störenfried von solcher Statur, das konnte den Genossen nicht recht sein. Da blieben sie mit ihrem Volk lieber unter sich.
Dass er Schauspieler werden wollte, stand für Krug frühzeitig fest. 1937 in Duisburg geboren, war er mit seinem Vater, einem Ingenieur, 1949 in die eben gegründete DDR gekommen und lernte im Stahlwerk Brandenburg an der Havel.
Dort hat er sich durch einen Spritzer flüssigen Stahls die Narbe auf dem Schädel zugelegt - sein Markenzeichen in späteren Schauspielerjahren. Diese Narbe verlieh dem Mann, der gern und überzeugend den Draufgänger mit Herz und verletzbarer Seele spielte, ein verwegenes Aussehen: Der Kerl hatte schon Kämpfe bestanden, der ginge keinem Streit aus dem Wege, signalisierte das Mal.
Mit diesen Vorzeichen ausgestattet - und tatsächlich wohl nicht unzutreffend charakterisiert - machte Krug seit den 50er Jahren rasch Karriere beim Film. Solche Burschen wurden händeringend gebraucht,
Helden waren immer willkommen. Die hat er dann auch geliefert, zum Beispiel im DDR-Fernsehen.
Aber daneben, nein: Davor steht natürlich der Brigadier Hannes Balla, der störrische, großartige Kerl, der sich auf seiner Großbaustelle von niemandem herumkommandieren lassen will, auch nicht von der Partei.
Manfred Krug: Star im Defa-Film "Spur der Steine"
Der Defa-Film „Spur der Steine“ von Frank Beyer, 1966 gedreht nach dem Roman des halleschen Schriftstellers Erik Neutsch, war ein Knaller - und fiel nach wenigen Aufführungen und gelenkten Protesten dem berüchtigten Kahlschlag-Plenum der SED zum Opfer, bei dem zahlreiche Filme verboten wurden. Erst nach der friedlichen Revolution von 1989 konnte der Film endlich gezeigt werden.
In diesem Film wie in den späteren, im Westen entstandenen Fernseharbeiten war der Zigarrenraucher Krug ganz bei sich - und spielte wohl nicht zuletzt auch stets sich selbst dabei. Der Mann, der mit sich selber tanzte, hat seine Stärken wie seine Schwächen niemals verborgen: Er konnte hingebungsvoll und fürsorglich sein, schroff auch und auf die eigenen Interessen bedacht.
Vieles (und nicht nur Wohlwollendes) hat man über den leidenschaftlichen Sammler von Oldtimern und den geschäftstüchtigen Immobilienbesitzer gehört. Auch die lieben Kollegen haben nicht immer nur freundlich über den Schauspieler gesprochen.
Gleichwohl hat sich kaum einer seiner Art entziehen können, zu spielen und dabei doch er selbst zu sein. Seine Filme waren immer eine sichere Bank für gute Quoten. Mit Krug konnte nichts schiefgehen.
Und für ihn selber ist es auch immer gut gegangen. Die Schwächen seien ihm nachgesehen - er hat seinem Millionenpublikum viel Freude gemacht. Und das ist nicht wenig - egal, in welcher Zeit und in welchem Staat man lebt.
Jeder Krug-Fan wird ihn auf seine Weise in Erinnerung behalten - als Darsteller, als Sänger, als Vortragskünstler. Hinreißend war er mit seiner Interpretation der Satire „Die Kuh im Propeller“ von Michail Sostschenko. Darin geht es um den Genossen Grigori Kossonossow, den Wächter der Fliegerschule, der den Bauern in seinem Heimatdorf vom Fortschritt und der Kraft der Flugzeugpropeller berichtet: „Da ist einmal eine Kuh bei uns in den Propeller gekommen! Ritsch, ratsch, weg war sie!“, redet der Mann sich in Rage. Und Pferde?, fragen die Bauern bang. „Auch Pferde. Das kommt oft vor!“, triumphiert der Redner. Und die Sowjetmacht hat verloren. Unvergesslich, wie Krug das gesprochen hat. (mz)