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Satire auf der Bühne Satire auf der Bühne: Ein Pistolero gegen den Politik-Betrieb

Von Günter Werz 06.02.2001, 18:44

Berlin/MZ. - Bühnen-Satire, Enthüllungsdrama oder einfach ein Stück über den Politiksumpf? Hans Wallow (61) genießt jede Minute seines Auftritts. Es ist 19Uhr, im "Kaiser-Saal" der noblen Parlamentarischen Gesellschaft, gleich neben dem Reichstagsgebäude. Zum ersten Mal präsentieren Schauspieler Ausschnitte seines Stücks "Glatzer oder der hektische Stillstand", das am 16. Februar im Theater der Stadt Brandenburg seine Uraufführung erleben soll und schon vorab für Wirbel sorgt.

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der SPD lädt sich offenbar den Frust von der Seele, beschreibt seine Ex-Kollegen als "grüne Hosenscheißer", "Energie-Mafia" oder "Pitbull-Terrier". "Labonté braucht mal einen Schuss vor den Bug", heißt es einmal - und jeder weiß natürlich, dass Oskar Lafontaine damit gemeint ist.

Korruption, Lügen, Intrigen und Heuchelei bestimmen nach Wallows Ansicht den Alltag eines Bundestagsabgeordneten. Politiker würden durch den Machtapparat deformiert, die angeblich so hehre Politik sei nichts anderes als absurdes Theater. Diese peinlichen Wahrheiten, so sieht sie jedenfalls der Autor, passen nicht zum Image der Mächtigen und zum Hohen Haus, in dem sich jeder wichtig nehmen muss.

Am Beispiel der fiktiven Figur Georg Glatzer will Wallow die Politikskandale und Mechanismen des Staatsapparates, die Automatismen und Abhängigkeiten im Machtbetrieb aufspießen. "Ich stelle die Verquickung von Interessen dar. Denn wir alle werden nur von Funktionären beherrscht, nicht von schöpferisch tätigen Menschen." So zeichnet Wallow das Schicksal eines Abgeordneten auf, der im Parlamentsbetrieb zerrieben wird und zum Schluss eine lächerliche Figur abgibt. "Glatzer muss sich erst zum Autisten entwickeln, bevor er zum Staatssekretär wird". Da fällt der grelle Bühnenscheinwerfer auf einen Parlamentarier, der zwischen Wahlkreis, Bundestag und Partei rotiert, der sich "wie ein Schaf" im Gatter von Koalitions- und Klüngelrunden eingesperrt fühlt und die einzig schönen Augenblicke mit seiner Sekretärin Juliane erlebt - ein allzu deutlicher Hinweis auf die engste Mitarbeiterin von Altbundeskanzler Helmut Kohl.

Unabhängige Abgeordnete, so räumt Wallow auf, gebe es nicht. "Wer dreimal gegen den Fraktionszwang stimmt, ist erledigt". In brisanten Dialogen ist von den "Schreibtisch-Pistoleros" des Kanzlers die Rede, wird die Nähe von Politik und Medien gegeißelt: "Die Chefredakteure Blissinger von links bis Sprenger von rechts hocken ständig mit dem Kanzler zusammen. Man duzt sich, trinkt Cognac und qualmt Cohibas."

Die ersten Ausschnitte, die nun in Berlin gezeigt wurden, fanden bei den Abgeordneten-Mitarbeitern ein zwiespältiges Echo. "Haben Sie da nicht einfach nur ihren Frust runter geschrieben?", erkundigte sich ein junger Mann. Wallow verneint: "Ich habe der Politik ja viel zu verdanken." Harald Wiemann, Sprecher der Abgeordneten-Mitarbeiter von der CDU-Fraktion, zeigte sich verbittert: "Die gezeigten Ausschnitte bedienen nur Klischees. Die ganze Politik wird nur als Sumpf mit kaputten Typen dargestellt. Wenn es so wäre, hätte ich mit meinem Job längst Schluss gemacht." Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sieht es völlig gelassen: "Wenn der Mann so bitter enttäuscht ist, dann soll er doch schreiben."