Sammler Rik Reinking: Mit Kunst die Welt verstehen

Hamburg - Turnschuhsammler, jüngster Sammler aller Zeiten: Rik Reinking muss lachen, wenn er diese Beschreibungen über sich liest: „Ich konnte damit immer gut leben, weil ich dachte: das erledigt sich ja von alleine. Viel schwieriger wäre, wenn es ein Attribut gewesen wäre, das ich aufrecht erhalten muss”, sagt der 40-Jährige und lehnt sich entspannt auf seinem Sofa zurück.
Schon 2006 wurde der Hamburger von der Initiative der Bundesregierung „Deutschland - Land der Ideen”, zu Deutschlands „100 Köpfe von morgen” ausgezeichnet. In der Begründung wird er als Sammler „mit einem außergewöhnlichen Blick für Qualität” gewürdigt, der eine der „spannendsten Sammlungen junger zeitgenössischer Kunst in Europa besitzt”.
Das lichtdurchflutete Wohnzimmer - mittlerweile wohnt Reinking nicht mehr in seiner Studentenbude, ist verheiratet und Familienvater - zeugt von der Leidenschaft seines Besitzers: An der Wand hängen Gemälde des japanischen Künstlers Toshiya Kobayashi mit schwarzen Magnolien auf schwarzem Grund, in den wandhohen Regalen stehen Artefakte aus aller Herren Länder: Mumienmasken aus Präkolumbien, präparierte Vögel, die Seeleute ihren Frauen mitgebracht haben oder „Reise-Tötlein” aus Deutschland, die Menschen früher wie selbstverständlich daran erinnert haben, dass das Leben endlich ist.
Mit 16 Jahren beginnt seine Leidenschaft. Auf dem Schulweg in Oldenburg läuft der junge Mann stets an einem Selbstbildnis des Malers Horst Janssen (1929-1995) vorbei. Er interessiert sich für das Bild, der Galerist gewährt eine „großzügige Ratenzahlung” und so ersteht er das Werk für 250 Mark. Dann stellt er fest: „Mich interessiert nicht so sehr der Dialog zwischen dem Werk und mir, sondern der Dialog zwischen Werken” - der Beginn seiner Sammlerkarriere. Seine Eltern sind zunächst nicht sonderlich begeistert, „inzwischen wissen sie aber, dass es irgendwie funktioniert”, erzählt er schmunzelnd.
Reinking studiert Jura und Kunstgeschichte in Hamburg und beginnt, Kunst aus den 1960er Jahren zu sammeln: Informel, Fluxus, Minimalismus, Konzeptkunst. Um die Jahrtausendwende begeistert sich der Mittzwanziger für Street-Art-Künstler wie Os Gêmeos, Mirko Reisser (DAIM) oder Banksy, die er persönlich kennenlernt und deren Werke er kauft, als sie noch erschwinglich waren. Später entdeckt er sein Faible für Artefakte. Was die Sammlung verbindet?: „Etwas zutiefst Menschliches. Das sind auch die Fragen für mich, warum ich sammle: Was ist Raum, was ist Zeit? Ich habe nie erwartet, dass mir ein Künstler darauf Antworten geben kann, aber ich habe erlebt, dass viele an ähnlichen Fragestellungen arbeiten und dadurch fühlte man sich nicht so allein mit seinen Fragen”, beschreibt er seine Motivation.
„Rik Reinking beweist, dass man auch mit kleinem Einsatz ein richtig guter Sammler werden kann”, stellte sein Kollege Harald Falckenberg anerkennend fest. Das Geheimnis seines Erfolges: Er kauft günstig, wenn Künstler noch nicht bekannt sind. Oder dann, wenn sie wieder vergessen sind. Mit dem Verkauf einiger seiner Werke könnte Reinking ein Vermögen verdienen, aber er gibt sie - außer für Ausstellungen - selten wieder her: „Jede Arbeit war mir doch einmal so wichtig, dass ich sie besitzen wollte. Sie gehört zu meinem Leben.”
Auch eine Antwort auf die Frage, wie viele Kunstwerke er besitzt, kann der leidenschaftliche Sammler nicht geben - sie spielt für ihn auch keine entscheidende Rolle. „Von dem deutschen Künstler Till F. E. Haupt erwerbe ich zum Beispiel jeden Tag zwei Fotos - Ist das jetzt ein Werk, weil es zu einem Konzept gehört oder zählen die einzelnen Bilder?” 2008 dachte Reinking, er hätte mit „TIM”, eine Tätowierung von Wim Delvoye auf dem Rücken des Schweizers Tim Steiner, einen Schlussstein für seine Sammlung erworben, doch dann konnte er doch nicht aufhören: „Weil das nicht geht. Ich kann meine Neugierde nicht ausschalten. Natürlich lebe ich weiter, lerne gerne und bin weiter interessiert”, sagt er lachend. (dpa)