Sachsen Sachsen: Theater im Bau

Dresden/dpa. - Graue Holzklötze ragen in die Luft. Auf demBühnenboden liegen mehrere Schauspieler, seltsam verdreht. «Lieberwär' ich ein Bettler draußen, als hier drinnen Herrscher», sprichteiner seinen Text. «Die Tür ist zu, verstehst du», antworten dieanderen im Chor. Das Gefühl kennen sie gut. Auch sie können nichtraus. Sie sind Häftlinge der JVA Dresden, manche von ihnen seitJahren. Die 22 Gefangenen proben für die ersten Theatertage dessächsischen Justizvollzuges (17.-20. November).
Auch Insassen der JVAs Chemnitz, Waldheim und Zeithain sowie derJugendstrafvollzugsanstalt Regis bereiten Aufführungen unter demMotto «Land in Sicht» vor. Die Dresdner Häftlinge bringen das Stück«Die Rückkehr» auf die Bühne, nach der antiken Geschichte derHeimkehr des Odysseus. Vielen Zeilen ist anzumerken, dass sie eigeneIdeen einbringen durften. «Es ist öde, es ist wahnsinnig öde», sagteiner. «Ich vermisse meine Familie», ein anderer.
Nach langer Zeit an einen Ort zurückkehren, der einmal das eigeneZuhause war, die Unsicherheit, die Angst - mit dem Stoff könnten dieHäftlinge etwas anfangen, sagt Kunsttherapeutin Antje Grüner. Wohldeshalb sind sie bei der Probe meist ganz bei der Sache. Nur einmalmuss Grüner schimpfen, als einer während seines Auftritts von denanderen gekitzelt wird. «Wenn ich noch einmal so eine Szene sehe,breche ich die Probe ab», droht sie.
Die Häftlinge sind nicht wegen Schwarzfahrens im Bau. Sie erzählenvon räuberischer Erpressung, Drogengeschichten. «Ein Tötungsdelikt»,sagt eine junge Frau stockend. Kunsttherapie zwinge die Gefangenenzur Auseinandersetzung mit sich und den Ursachen ihrer Haft, soJustizminister Jürgen Martens (FDP). Durch die Arbeit an Stückenwürden sie mit Erwartungen anderer Menschen konfrontiert und hättenErfolgserlebnisse. Wenn dadurch der Respekt zwischenVollzugsmitarbeitern und Gefangenen wachse, verbessere sich auch dasKlima in den Gefängnissen. Ähnliche Modelle gibt es zum Beispiel auchin der JVA Tegel in Berlin.
Initiator und Träger der Idee ist der Verein Kunst im Gefängnis,der 2001 von Mitarbeitern des sächsischen Justizvollzugs undKünstlern ins Leben gerufen wurde. Am Ende sollen Zuschauer, diesonst nie ein Gefängnis von innen sehen, einen Eindruck von derAtmosphäre hinter Gittern bekommen und Vorurteile gegen Gefangeneabbauen. Die Mithäftlinge der Dresdner bekamen schon eine Kostprobe.
Im August ging es los mit den Proben, anfangs zweimal pro Woche,am Ende jeden Tag. Die Vergangenheit der überwiegend jungenDarsteller versucht Grüner auszublenden. Die Darsteller sollten nichtals Gefangene, sondern als Menschen wahrgenommen werden. Manchmal istdas gar nicht so einfach. Etwa, wenn die Häftlinge barsch werden undin Knacki-Deutsch mit ihr sprechen, wie sie es nennen.
Dave sitzt in U-Haft und hofft darauf, im Dezember freizukommen.«Hier bei der Probe kann man auch mal lachen», sagt der 22-Jährigemit den kurz geschorenen Haaren und den tätowierten Unterarmen. Wenner im Trakt lache, werde er dafür gleich von den Mithäftlingen blödangemacht. «Ey, biste schon wieder auf Drogen?», heiße es dann.
Sille nickt. Auch sie geht mit ihren Mithäftlingen bei der Probeanders um als sonst. «Hier kooperieren wir», sagt die 22-Jährige. Siehat ihre Haare schwarz gefärbt und trägt eine pinke Strähne. «Wär' jaScheiße, auf der Bühne zu stehen und sich total zum Deppen zumachen.» Im Frauentrakt laufe das nicht so. Mancher, mit der sie hierzusammenspiele, knalle sie sonst die Tür vor der Nase zu und reagierenicht, wenn sie angesprochen werde. Auch dort spielt sie ihre Rolle.