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Russland Russland: Liegt das Bernsteinzimmer im Tunnel?

Von Thoralf Plath 28.11.2006, 08:50
Eine Museumsmitarbeiterin schaut sich am Mittwoch (05.04.2006) im Deutschen Bernsteinmuseum in Ribnitz-Damgarten (Nordvorpommern) die Nachbildung des legendären Bernsteinzimmers auf Stofftapeten an. (Foto: dpa)
Eine Museumsmitarbeiterin schaut sich am Mittwoch (05.04.2006) im Deutschen Bernsteinmuseum in Ribnitz-Damgarten (Nordvorpommern) die Nachbildung des legendären Bernsteinzimmers auf Stofftapeten an. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Kaliningrad/dpa. - Niemand weiß, wohin diewertvollen Kisten in den Kriegswirren 1945 verschwanden. Derrussische Historiker Sergej Trifonow behauptet jetzt, das Geheimnisgelüftet zu haben.

Der legendäre Kunstschatz soll mitten in Kaliningrad liegen - ineinem Tunnelsystem unter dem Fluss Pregel, der die Stadt in zweiArmen durchfließt und dabei die Dominsel Kneiphof bildet. Eben dortsoll sich, unweit des Domes, auch der Zugang zu dem geheimen Gangbefinden. «Auf einer alten Karte von Königsberg sind deutlicheZeichen für ein unterirdisches Labyrinth eingetragen», sagt Trifonow.Finden werde man dort nichts, meint allerdings Anatoli Walujew,Chefarchäologe des Kunsthistorischen Museums der Stadt. Er hält wenigvon der These seines Kollegen: «Die Geschichte klingt sicher gut.Aber es gibt keinen einzige seriösen Beweis für so ein Tunnelsystem.»

Der Tunnel führt demnach in 16,5 Metern Tiefe unter dem Pregelhindurch bis in ein verborgenes und sehr wahrscheinlich verschüttetesKellergeschoss nahe des einstigen Königsberger Schlosses. VermutlichAnfang April 1945, kurz bevor die Rote Armee Ostpreußens Hauptstadterstürmte, hätten die Deutschen das in Kisten verpackteBernsteinzimmer im Tunnel versteckt. «Dort unten herrschen konstanteTemperaturen um zwei Grad und eine hohe Luftfeuchtigkeit, ideal fürdie Lagerung von Bernstein. Das wussten die Deutschen natürlich»,sagt Trifonow.

Gefunden hat der Historiker den Tunnel freilich noch nicht. DerEinstieg, vermutet er, liege inzwischen wahrscheinlich unter Wasser.Doch ein erster Versuch von Kaliningrader Sporttauchern endeteergebnislos: Im stark verschmutzten Wasser des Pregels ist die Sichtfast null. Darum soll die Suchaktion in den nächsten Wochen mit mehrLicht und spezieller Ausrüstung fortgesetzt werden.

Ganz so abwegig scheint Trifonows Version nicht. Als man voreinigen Jahren auf Höhe der Dominsel eine die Baugrube aushob, legteder Bagger plötzlich eine über zwei Meter durchmessende, gemauerteRöhre frei, die allerdings nach einigen Metern verschüttet war. Zuaufwendig und gefährlich war den Verantwortlichen damals dieErforschung der rätselhaften Röhre, doch sie liegt tatsächlich naheder Linie, in der Trifonow jetzt den Pregel-Tunnel vermutet.

Funde wie diese halten den Mythos Königsberg in Kaliningrad amLeben. Der Bauboom tut sein Übriges. Fast jede Baugrube imStadtzentrum öffnet Blicke auf unbekannte Keller und Fundamente: DieTopografie der alten Ostpreußenmetropole, im Krieg zerbombt und zusowjetischer Zeit gründlich eingeebnet, taucht nun parzellenweisewieder auf. Und nichts beflügelt die Fantasie in dieser «Stadt mitdoppeltem Boden» dabei so wie das Schicksal des verschollenenBernsteinzimmers.

Selbst nüchterne Wissenschaftler wie Anatolij Walujew können sichdem nicht entziehen. Seit drei Jahren graben auch er und sein Teamdie Keller des 1969 gesprengten und verschütteten KönigsbergerSchlosses wieder aus - auf Kosten des Nachrichtenmagazins «DerSpiegel». Die Hamburger finanzieren die Aktion, weil sie sichHinweise auf den Verbleib des Bernsteinzimmers erhoffen, das hier imSchloss 1945 zum letzten Mal sicher gesehen wurde: versandfertigverpackt in 27 Holzkisten. Vieles deutet darauf hin, dass derKunstschatz das von der Roten Armee bereits abgeriegelte Königsbergnicht mehr verlassen hat. Darum ließ der KGB schon zu sowjetischenZeiten an über 400 Stellen in der Stadt und ihrer Umgebung nach denversteckten Kisten graben. Vergeblich, wie man weiß.

Und obwohl inzwischen große Teile des südlichen und westlichenFlügels freiliegen, lieferten auch die Keller des Schlosses bislangkeine konkrete Spur. Das wird sich möglicherweise ändern, denn imNovember begannen die Ausgrabungen in der Nordostecke an der Stelledes einstigen Unfried-Baus. Der Unterbau dieses ältesten Teils desSchlosses gilt als besonders geheimnisvoll. Vielleicht stoßen dieArchäologen dort gar auf einen unterirdischen Gang? Denn eben hiersoll der Tunnel beginnen, in dem Sergej Trifonow das Bernsteinzimmervermutet.