Ruhrfestspiele Ruhrfestspiele: Frank Castorf wird vom Aufsichtsrat als Leiter entlassen

Berlin/Recklinghausen/dpa. - Wegen massiven Zuschauerrückgangs haben die Ruhrfestspiele Recklinghausen am Dienstag nach nur einer Saison ihren neuen künstlerischen Leiter Frank Castorf entlassen. Die Festspiele seien mit einem Minus von rund 700 000 Euro an den Randder Insolvenz geraten, berichteten der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Stadt Recklinghausen am Dienstag in Berlin. Das Minus entspricht in etwa der Hälfte des gesamten Etats. «Das Experiment der Neuausrichtung der Ruhrfestspiele ist mit Frank Castorf als Festivalleiter gescheitert», hieß es in einer Erklärung der Stadt unddes DGB, die seit 1947 die Ruhrfestspiele tragen.
Gleichzeitig übten die Gesellschafter massive Kritik an IntendantGerard Mortier, der sowohl für die Festspiele als auch für das neueFestival Ruhrtriennale verantwortlich ist. Von Mortier seien wederangekündigte Koproduktionen realisiert noch zugesagte Mittel zurVerfügung gestellt worden. Gleichzeitig hätten Castorf, Leiter derBerliner Volksbühne, und Mortier jede Verantwortung für das schlechteErgebnis zurückgewiesen. Stattdessen hätten sie «das Publikumbeschimpft und die Gesellschafter gescholten». Castorf und Mortieräußerten sich am Dienstag zunächst nicht zu den Vorwürfen.
In einer ersten Stellungnahme sagte der designierte Intendant derRuhrfestspiele und der Ruhrtriennale, Jürgen Flimm, er zögere nunstark, die Intendanz der Ruhrfestspiele im August von Mortier zuübernehmen. Er werde auf keinen Fall an Castorfs Stelle «in dieBresche springen, um die Ruhrfestspiele programmatisch zu betreuen»,sagte Flimm der dpa: «Ich bin kein Ruinenbaumeister.»
Mit einem Besucher-Rückgang gegenüber 2003 von mehr als der Hälfteauf 22 000 Besucher habe man nicht gerechnet, begründete DGB-Vorstandsmitglied Ingrid Sehrbrock den Schritt. «Und wir haben keinZutrauen mehr, dass sich daran Wesentliches ändern wird.» DerAufsichtsrat hatte daher die Trennung nach tagelangen Querelen undmehrstündigen Beratungen in der Nacht zum Dienstag beschlossen.
Recklinghausens Oberbürgermeister Wolfgang Pantförder (CDU)erklärte, die Ruhrfestspiele würdigten ausdrücklich die künstlerischeArbeit von Castorf, vermissten aber die Professionalität imFestivalmanagement. Man wolle mit Castorf so schnell wie möglich eineeinvernehmliche Lösung für eine sofortige Trennung finden.
Als «kulturpolitischen Skandal» bezeichnete der Präsident desDeutschen Bühnenvereins, Klaus Zehelein, die Entlassung Castorfs. DieStadt Recklinghausen und der DGB hätten mit ihrer «überstürztenEntscheidung» ihre Unfähigkeit unter Beweis gestellt. Alle Beteiligtemüssten nun einen «konstruktiven Dialog suchen - auch um die Zukunftder Ruhrfestspiele zu sichern», forderte der prominente Opern-Intendant im Gespräch mit der dpa.
Nordrhein-Westfalens Kulturminister Michael Vesper (Grüne)bedauerte die Entlassung Castorfs. Dieser Schritt verbaue dieChancen, «gemeinsam mit Castorf und dem designierten IntendantenJürgen Flimm die nötigen und möglichen Veränderungen» des Traditions-Festivals anzugehen, sagte Vesper. Die CDU-Opposition im DüsseldorferLandtag sprach von einem «Desaster» und von einer «Entmündigung» destraditionsreichen Festivals durch die Integration in die neueRuhrtriennale.
Nach Darstellung der Gesellschafter haben die Ruhrfestspiele beiallen Besuchergruppen dramatisch verloren. Die Auslastung habe bei 35Prozent gelegen, gegenüber 75 bis 82 Prozent in den Vorjahren. Auchdas von Castorf umworbene junge Publikum - Schüler und Studenten -sei weggeblieben.