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Rückblick Rückblick: Besondere Kunstwerke bei der documenta 12

20.09.2007, 10:05
Der Chinese Ai Weiwei (M) steht am Auepavillion in Kassel vor seinem zerstörten Kunstwerk «Template». (Foto: dpa)
Der Chinese Ai Weiwei (M) steht am Auepavillion in Kassel vor seinem zerstörten Kunstwerk «Template». (Foto: dpa) dpa

Kassel/dpa. - Die Deutsche Presse-Agentur dpaerinnert an einige Besonderheiten.

DAS GRÖSSTE KUNSTWERK war das Reisfeld vor dem SchlossWilhelmshöhe. Der Thailänder Sakarin Krue-On hatte auf gut 7000Quadratmetern, der Größe eines Fußballfeldes, den Park in einen Ackerverwandelt, um mit den Gegensätzen zwischen der Hochkultur desklassizistischen Schlosses und der einfachen Feldarbeit zu spielen.Das botanische Experiment misslang: Nordhessen war für den Reisoffenbar zu kalt und zu nass. Dass die Thailänder mittelsRäucherstäbchen die Götter um Beistand anflehten, nützte nicht - dasBild der grünenden Reisterrasse blieb den Besuchern verwehrt.

DAS TEUERSTE KUNSTWERK stammt von Ai Weiwei, einem der Stars der«d12». Der Chinese ließ 1000 seiner Landsleute zur documentaeinfliegen - nicht als zu bestaunendes Exponat, sondern als normaleBesucher. Als gelebte Globalisierung sollten die Asiaten Aufsehenerregen und taten es auch. Trotz der spartanischen Lebensverhältnissekostete «Fairytale» drei Millionen Euro, die von einem Sponsorbezahlt wurden. Im Gepäck hatte Ai übrigens 1001 alte Holzstühle, dieauf der ganzen Ausstellung verteilt als willkommene Sitzgelegenheitendienten. Nach der documenta sollen sie verkauft werden - für 3000Euro das Stück.

DAS ÄSTHETISCHSTE KUNSTWERK hat wohl Iole de Freitas geschaffen.Die Brasilianerin ließ im Fridericianum, der Urzelle der documenta,Stahl und Kunststoff tanzen: De Freitas schuf eine 33 Meter langeSkulptur aus Edelstahl und durchscheinendem Polykarbonat, die wieWellen oder das Band einer Sportlerin den ganzen Raum ausfüllt. DasWerk macht vor Wänden nicht halt, selbst außen am Gebäude schwebt esnoch weiter - wie die unglaubliche Leichtigkeit des Seins. KeinWunder, dass viele Kasseler ihr Werk vorgeschlagen haben, als das,welches der documenta-Tradition nach in Kassel bleibt.

DAS SPEKTAKULÄRSTE KUNSTWERK stammt auch von Ai Weiwei. DerChinese hatte einen acht Meter hohen Holzturm aus Türen und Fensternvon Häusern gebaut, die dem chinesischen Bauboom zum Opfer gefallensind. Selbst Bundespräsident Horst Köhler nutzte «Template» für einekurze Spontanpressekonferenz am Tag der Eröffnung. Vier Tage späterbrach «Template» zusammen - einen Tag vor der Ankunft einespotenziellen Käufers. Ai, Architekt und Mitgestalter des PekingerOlympiastadions, nahm den Einsturz gelassen: «Der Preis hat sichsoeben verdoppelt.»

DAS UMFANGREICHSTE KUNSTWERK kommt, zumindest was die Zahl derbeteiligten Menschen betrifft, aus Tschechien. Katerina Seda hattemit «Jeder Hund ist bunt» die Anonymität ihres Wohnviertels Lisen inBrünn aufbrechen wollen und deshalb Post verschickt: Jeweils zweiFamilien des Plattenbauviertels bekamen, angeblich vom jeweilsanderen, ein buntes Hemd zugeschickt und die Einladung, mit ebendiesem Hemd an einem bestimmten Tag zu einem Platz zu kommen. An 1000Familien verschickte die Tschechin ihre Post. Nicht alle kamen. Aberzwei Freunde trafen sich auf diese Weise nach mehr als 50 Jahrenwieder und eine Liebesbeziehung stiftete Seda auch.

DAS AUSGEZEICHNETSTE WERK kommt von Romuald Hazoumé aus Benin. Der45-Jährige formte ein Boot, so wie es Afrikaner benutzen, um derExistenz- und Energiekrise des ölreichen Westafrika zu entfliehen.Doch «Dream» ist aus gut 400 löchrigen Kanistern und somitunbrauchbar. Nicht nur, dass sich jeder Politiker auf documenta-Besuch hinter dem fast 15 Meter langen Boot fotografieren ließ. Auchden Arnold-Bode-Preis, quasi für den besten documenta-Künstler, bekamder beliebte Hazoumé.

DAS MEISTFOTOGRAFIERTE WERK ist wohl «Brownie», eine ausgestopfteGiraffe. Das Tier gehörte in Kalkilia zum einzigen palästinensischenZoo, verletzte sich jedoch bei einem Scharmützel und starb. Alsunkommentierte Mahnung brachte der Österreicher Peter Friedl dassichtbar schlecht ausgestopfte Tier nach Kassel.

DAS KURZLEBIGSTE WERK stammt von Lotty Rosenfeld. Die Chileninhatte 1979 in Santiago die weißen Striche der Straßenmarkierung mitQuerbalken zu Kreuzen ergänzt, um mit dem Symbol des Todes gegen dieDiktatur in Chile zu protestieren. Seither hat sie die Aktion inmehreren Städten der Erde wiederholt, im Juni auch in Kassel. Dochdie documenta hatte das Kunstwerk den Behörden nicht gemeldet. Nachkurzer Rücksprache mit den Ausstellungsmachern entfernten deshalb dieStadtreiniger kurzerhand die Kreuze - noch vor Beginn der documenta.