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Romantikerhaus Jena  Romantikerhaus Jena : Schwestern im Geiste

Von kai agthe 29.08.2013, 07:01
Gelebte Romantik: Caroline Schlegel.
Gelebte Romantik: Caroline Schlegel. Repro MZ/Romantikerhaus Jena Lizenz

jena/MZ - Das Band, das diese Frauen über die Zeiten verbindet, ist die Romantik: Caroline Schlegel hat sie gelebt, Ricarda Huch hat sie publizistisch aufbereitet. Auch der Lebens- und Wirkungsort Jena eint die Schwestern im Geiste. Das Romantikerhaus der Saalestadt widmet beiden Persönlichkeiten unter dem Titel „Lebensspuren – Caroline Schlegel und Ricarda Huch in Jena“ eine Sonderausstellung. Der äußere Anlass: Am 2. September ist an Caroline Schlegels 250. Geburtstag und im kommenden Jahr ist an Ricarda Huchs 150. Geburtstag zu erinnern. Der ideelle Grund: Es handelt sich um zwei faszinierende Frauenpersönlichkeiten, die jedoch im kollektiven Bewusstsein kaum mehr präsent sind, sagt Klaus Schwarz, der Leiter des Museums und Kurator der Schau.

Zwei Frauen, zwei Räume. Hat man beide Ausstellungsbereiche, die mit viel Übersicht und Liebe zum Detail gestaltet sind, studiert, wird schlagartig klar, dass sowohl Schlegel als auch Huch in ihrer Zeit zwei selbstbewusste und -ständige Frauen waren. Das war um 1800 so wenig selbstverständlich wie um 1900. Sie haben beide, so viel ist gewiss, das weibliche Rollenverständnis für sich neu definiert.

Carolines scharfer Verstand

Langweilig war das Leben der Caroline Schlegel (1763-1809) nie. Zeitgenossen attestierten ihr einen scharfen Verstand gepaart mit politischem Gespür. Der Runde der Jenaer Frühromantiker war sie nicht nur eine Gastgeberin, sondern sie begegnete den Dichtern und Gelehrten auch auf Augenhöhe. Hätte Caroline studieren und sich intellektuell betätigen können, sie hätte mit großer Wahrscheinlichkeit eine Gelehrte vom Kaliber einer Ricarda Huch werden können.

So blieb Caroline vor allem die Gattin ihrer Männer: Sie lebte mit ihrem ersten Mann, dem Arzt Wilhelm Böhmer, in Clausthal. Das Harzstädtchen hat sie nicht gemocht, besonders den Winter nicht: „Wo liegt, außer in Grönland, so viel Schnee“, wird sie zitiert. Nach dem frühen Tod ihres Mannes lebte sie als „kokette Witwe“ (O-Ton Caroline) in Mainz, wo sie im Hause des Revolutionärs Georg Forster Quartier nahm – und wegen ihrer Teilhabe an der Mainzer Republik kurze Zeit mit Festungshaft belegt wurde. 1796 heiratete Caroline den Philosophen August Wilhelm Schlegel, 1803 dessen Kollegen Friedrich Wilhelm Joseph Schelling - beides Repräsentanten der romantischen Bewegung.

Ricarda Huch (1864-1947) wiederum floh mit 22 Jahren wegen einer Affäre mit ihrem Schwager Richard Huch, den sie später heiraten sollte, in die Schweiz. Dort konnte sie, anders als in Deutschland, auch als Frau studieren. Schon als Studentin wusste sie, dass „Kern und Ziel meines Lebens die dichterische Produktion“ sein solle. Nach Tätigkeiten als Bibliothekarin und Lehrerin widmete sich bald ganz dem Schreiben. Lyrik und Romane veröffentlichte sie in ebensolcher Fülle wie Sachbücher zu historischen Themen. Ihre Studien „Blütezeit der Romantik“ (1901) und „Ausbreitung und Verfall der Romantik“ (1902) machten sie bekannt. Durch ihre Darstellung des Dreißigjährigen Krieges, „Der große Krieg in Deutschland“ (1912-1919), wurde sie zu einer wichtigen Vertreterin einer literarisch ambitionierten Sachprosa.

Mit dem italienischen Zahnarzt Ermanno Ceconi hatte Huch eine Tochter. Bei ihr und ihrem Schwiegersohn lebte die Autorin zwischen 1935 und 1947 in Jena. „Die Bevölkerung ist wenig erfreulich“, war ihr erster Eindruck im „Saale-Athen“. Eine Tafel am einstigen Wohnhaus und der Straßenname daselbst erinnern heute an die Schriftstellerin. Die Jahre in Jena waren für Huch eine Zeit der inneren Emigration, die im Hitler-Reich - seltsam genug - sowohl mit einem Bann belegt als auch gefeiert wurde. Das hätte noch etwas stärker konturiert werden können. In der Nachkriegszeit engagierte sich die Greisin für die neue, scheinbar demokratische Grundordnung in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Dafür und für ihr Lebenswerk erhielt sie 1946 die Ehrendoktorwürde der Jenaer Universität. Im Jahr darauf zog sie familienbedingt nach Frankfurt/Main. Huch hat immer widersprochen, wenn im Westen behauptet wurde, sie sei aus der SBZ geflüchtet. Schöne Beigaben sind in der Doppelschau zu finden, so etwa drei Kaltnadelradierungen von Claudia Berg aus Halle im Schlegel-Gemach. „Jena“, „Johannisfriedhof“ und „Weg vom Jenzig“ heißen die Arbeiten von 2012. Hauchzarte Striche lassen die Örtlichkeiten in und um die Universitätsstadt wie von herbstlichem Nebel umfangen erscheinen.

Nachhaltiger Erkenntnisgewinn

In der guten Stube für Ricarda Huch laden zwei Medienstationen zum Zuhören ein. Auszügen von diversen Texten der Autorin kann man lauschen, die Huch selbst eingelesen hat. Eine der frühesten Aufnahmen überrascht, weil die aus Braunschweig stammende Schriftstellerin das „st“ am Wortbeginn stets spitz spricht.

Die Ausstellung bietet einen tiefen Einblick in das weibliche Selbstverständnis zweier Jahrhunderte. Mit diesem Erkenntnisgewinn verlässt man das Romantikerhaus. Gern hätte man die Texte und Fotos als Buch mit nach Hause getragen. Allein es fehlt auch hier das Budget für eine Begleitbroschüre.

Bis 13. Oktober 2013: Romantikerhaus Jena, Di-So 10-17 Uhr

Beschriebene Romantik: Ricarda Huch
Beschriebene Romantik: Ricarda Huch
Romantikerhaus Jena Lizenz