Roman Roman: Arthur Phillips «Prag»
Frankfurt/Main/dpa. - Man nehme einen romantischen Helden, gebe eine Prise Nostalgie dazu, würze das Ganze mit Anekdoten und vermische alles zu einem Oeuvre mit einer ganz besonderes Note: "Prag", der Roman des jungen Amerikaners Arthur Phillips, ist eine Geschichte mit üppigen Details, manchmal schillernden, oft aber auch blassen Figuren, mit einigen wunderbar treffenden Szenen.
An dem Buch werden sich die Geister scheiden. Es erfordert vom Leser viel Geduld, über weite Strecken auch Langmut, denn allzu oft erliegt der Autor der Versuchung, da viel hinein zu packen, wo weniger mehr gewesen wäre. Bemerkenswert ist der Roman allemal, aber das "bemerkenswerteste Buch des Jahres", wie es uns die "New York Times" glauben machen will, ist es sicher nicht.
Zu Beginn der 90er Jahre strömen junge Amerikaner haufenweise nach Budapest, um nach dem Fall des Eisernen Vorhangs so nah wie möglich am Puls der Zeitgeschichte zu sein und um "mal was anderes als immer dieselben dämlichen Leute zu sehen". Unter ihnen John, der seinem Bruder Scott, einem Englischlehrer, in die europäische Metropole gefolgt ist und sich dort sogleich und hoffnungslos in die Botschaftspraktikantin Emily verliebt. Die Gruppe junger Leute, zu denen auch Investmentbanker Charles gehört, lässt hier, im "echten" Europa, die Tage vergehen in die Hoffnung, dass jetzt und hier das "wirkliche Leben" pulsiert. Jeder von ihnen geht einem Job auf Zeit nach, sie alle bleiben in ihren Beziehungen reichlich unverbindlich.
John selbst erinnert an die melancholischen Helden der Sturm und Drang-Literatur - unfähig, selbst sein Leben in die Hand zu nehmen, und gefangen in seiner schwärmerischen Liebe zu der unerreichbaren Emily. "Weißt du, was mir an dir gefällt, mein kleiner Junge?", fragt ihn einmal Nicky, eine junge Frau, mit der manchmal die Nacht verbringt. "Du kriegst alles Mögliche nicht mit. Du rutscht einfach so durch, vollkommen friedlich."
Doch dann passiert wirklich etwas: Charles lernt den ungarischen Emigranten Imre Horvath kennen und vermittelt diesem Grandseigneur eine Reihe Kapitalgeber, um den eigenen, ehemals verstaatlichten Verlag wieder aufzubauen. Als der ältere Mann einen Schlaganfall erleidet und ins Koma fällt, nutzt Charles die Gunst der Stunde und verhökert den Verlag an einen australischen Medienmogul. "Die Welt braucht keine Diskussionen über unsere Gefühle mehr", rät Charles seinem Freund John, bevor er als reicher Mann zurück in die Staaten fliegt. Und auch für John ist nun die Zeit in Budapest zu Ende, denn seine Freunde haben die Stadt alle wieder verlassen. Er ist enttäuscht: "Das ist alles? So endet eine Ära?" fragt er sich und besteigt den Zug nach Prag, denn dort, so weiß er, "wird das Leben beginnen".
Arthur Phillips
Prag
Schöffling Verlag, Frankfurt/Main
530 S., Euro 26,00
ISBN 3-89561-148-4