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Roman Roman: «Antonio im Wunderland»

Von Vanessa Walz 25.08.2005, 12:00

Reinbek/dpa. - Antonio Marcipane hat sich in der Fremde eingerichtet, am Niederrhein, in Krefeld in einem Reihenendhaus und lässt sich nicht beirren: Nicht vom Argwohn und der Ablehnung seiner Nachbarn oder gar von seinen eigenen Unzulänglichkeiten. Er ist einer, der sich ungern an die Regeln hält und im Supermarkt Etiketten umklebt.

Als ausländischer Vorzeigepensionär von der Geschäftsleitung in den Ruhestand entlassen, blickt Antonio auf 37 Jahre Berufsleben als Gastarbeiter in Deutschland zurück. Seine neu gewonnene Freiheit muss natürlich gebührend gefeiert werden und so schmiedet er auf der Hollywoodschaukel eifrig Pläne. Erst einmal steht der traditionelle Familienurlaub in seiner Heimatstadt Campobasso an und später die Erfüllung seines lang gehegten Kindertraums, einmal nach Amerika zu reisen.

Wie unterschiedlich Antonio und sein deutscher Schwiegersohn die Fremde und damit das Fremdsein erleben, wird auf ihrer gemeinsamen Reise nach New York deutlich und zieht sich als Thema beharrlich durch den Roman.

Wo sich Antonio mit rührendem Stolz auf die eigenen Wurzeln beruft und in der Ferne das Vertraute sucht, bleibt sein Schwiegersohn ängstlich-verkrampft und läuft in Manhattan «zur Fifth Avenue, die mir auf Anhieb gefällt, weil New York hier so ist, wie ich es aus dem Kino kenne».

Zum Leidwesen seiner Tochter spielt er in der süditalienischen Heimat gern die Rolle des «welterfahrenen Grandseigneurs», denn er ist der einzige, der je von dort weggegangen ist. Dass sein Emigrantentum zuweilen mit der Verklärung seiner Geschichte einhergeht, muss Tochter Sara immer wieder feststellen. Denn er verflucht seine Heimat immer dann, wenn er dort zu Besuch ist, während er in Deutschland sein Italien über alles liebt.

In unterhaltendem, ungezwungen-leichtem Ton begleitet Weiler seine Figuren in ihrem interkulturellen Zusammenleben. Dabei bleibt er immer so dicht an ihren Eigenarten dran, dass diese nicht Gefahr laufen, zu Klischees nationaler Identitäten zu verkommen. Der kauzige Antonio und sein Krefelder Freund Benno Tiggelkamp sind in ihrer Komik vor allem dann lebendig, wenn Weiler sie selbst in direkter Rede sprechen lässt. Es sind Antonios selbst gestrickte Weisheiten, die er in den Dialogen zum Besten gibt, und seine Sprache, die ihn schrullig, aber liebenswert machen.

Allerdings steigert Weiler die Situationskomik mitunter ins Absurde, wenn sich der erzählende Schwiegersohn im Central Park um Benno sorgt, weil dieser womöglich, «von Eichhörnchen überfallen..., von der joggenden Yoko Ono aufgelesen und auf John Lennons Lieblingssofa verfrachtet wurde, wo sie ihn mit Donuts und Softeis wieder aufpäppelt». Manchmal verrennt sich Weiler auch in Pointen, die beliebig oder unmotiviert sind und daher schlichtweg nicht zünden.

«Antonio im Wunderland» erzählt lakonisch von deutsch-italienischer Annnäherung und Zusammengehörigkeit. Immer wieder von Papa Antonio auf die Probe gestellt, wird sie im nächsten Moment mit großer Warmherzigkeit zelebriert. Egal, ob in Campobasso, Krefeld oder New York.

Jan Weiler

Antonio im Wunderland

Kindler Verlag, Reinbek

272 S., Euro 16,90

ISBN 3-463-40484-2