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Rolling Stones Rolling Stones: Die bösen Jungs der Beatmusik

Von roland berens 09.09.2015, 17:53
Mick Jagger 1965 in Münster
Mick Jagger 1965 in Münster Willi Hänscheid/Stadtmuseum Münster/dpa Lizenz

münster - Das Plakat zeigte die Köpfe der fünf Musiker ausgestanzt wie runde Steine. Angekündigt wurde „die härteste Beat-Band der Welt“. Am 11. September 1965 begann die erste Deutschlandtournee der Rolling Stones in der Halle Münsterland. Weitere Konzerte folgten in Essen, Hamburg, München und Berlin. Es waren Doppelkonzerte mit dreiteiligem Vorprogramm. Das erste begann jeweils am späten Nachmittag, das zweite war für den Abend terminiert. In Berlin gab es nur ein Konzert, mit dem bekannten Ausgang: Das Sitzmobiliar der Waldbühne wurde in Einzelteile zerlegt.

Was war das für eine Zeit? Bis weit in die 1960er Jahre waren in den Hitlisten ausschließlich deutsche Schlager zu finden: Im Hörfunk lief Tanzmusik und das Fernsehen steckte in biederen Anfängen. Ab 1964 wandelte sich ganz allmählich das Bild. Die ersten Lieder der Beatles wurden in der Bundesrepublik bekannt und im Juni 1965 hatten die Rolling Stones auch bei uns mit „The Last Time“ ihren ersten Hit.

Unter Jugendlichen kursierte die Meinung, dass bei Stones-Konzerten grundsätzlich die Bühne gestürmt wird. Die Rolling Stones selbst, wohl als Teil ihres aufgebauten Renommees als „Bad Boys“, kokettierten mit diesem Umstand, war doch auf der Rückseite der LP „Around and Around“ ein Foto ihrer ersten USA-Tournee zu sehen, wo Fans die Bühne enterten und in ihrer Verzückung Mick Jagger umklammerten.

Das sollte natürlich in Deutschland nicht passieren! Da man jedoch mit solchen Veranstaltungen keinerlei Erfahrung hatte, wurden Kommunalbehörden, Polizei und Saalordner in Alarmbereitschaft versetzt. Während der Münsteraner Konzerte waren mehrere Dutzend Polizisten in Zivil die ganze Zeit auf der Bühne zugegen und die ersten zwei Stuhlreihen im Parkett, eine davon zum Publikum hin ausgerichtet, waren ausnahmslos Ordnern vorbehalten, die die jugendlichen Musikliebhaber beäugten.

Nach 25 Minuten war das Münsteraner Konzert vorbei; nicht enden wollender orkanartiger Trubel. Gut zehn Minuten dauerte es, bis sich ganz allmählich eine Stimme aus dem Off Gehör verschaffen konnte, die immer wieder versuchte zu verkünden: „Die Rolling Stones geben keine Zugabe!“ Später wurde bekannt, dass das der Münsteraner Polizeipräsident persönlich war. Heute ist es schwer verständlich, mit welcher Häme und welchem Spott und sogar Hass in den Medien über diese ersten Stones-Konzerte berichtet wurde.

Die FAZ berichtete von „erbärmlich einfallsloser Musik“ und von „affenartigen Bewegungen des Sängers“. In einer kurzen TV-Reportage war von „ungewaschenen Höhlenmenschen, die soeben aus der Eiszeit aufgetaucht sind“ und von „Zwiesprache zwischen Mick Jagger und seinen willigen Opfern“ die Rede. Überhaupt war man der Ansicht, dass über diese Art von Musik in einem Jahr niemand mehr reden würde.

Doch den jugendlichen Zuhörern war bewusst, dass sie mit diesen ersten Rolling-Stones-Konzerten etwas ganz Großes, Neues, bisher nie Dagewesenes und für immer Unvergessliches erlebt hatten: den Anbruch einer neuen Zeit. (mz)