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Rock aus Leipzig Rock aus Leipzig: Wie der Haase läuft

Von Steffen Könau 14.09.2013, 08:42
Christian Haase ist erst 32, macht aber schon seit fast 20 Jahren öffentlich Musik .
Christian Haase ist erst 32, macht aber schon seit fast 20 Jahren öffentlich Musik . Monique Wüstenhagen Lizenz

Halle/MZ - Er lächelt, die Lippen mal richtig breit gezogen, mal etwas schmaler. Und singt über „Alles was gut ist“ (CD-Titel) auf seinem neuen, dem fünften Album, das Christian Haase seit seinem offiziellen Debüt vor neun Jahren herausgebracht hat. 32 ist der gebürtige Leipziger inzwischen und seit sagenhaften 18 Jahren im Rockgeschäft. Verletzungen und Wunden hat er nicht davongetragen beim harten Ringen um Aufmerksamkeit, beim Überlebenskampf in einem Kulturbetrieb, der keine Fördermittel kennt. Ganz im Gegenteil: In den 13 neuen Liedern feiert Haase das Leben, die Liebe und die großen Fußstapfen, in denen er geht.

Eigene Stimme gefunden

Das ist Rock, das ist zugleich Pop, das hat Texte wie beim frühen Heinz Rudolf Kunze und Melodien, die an Westernhagen und Herbert Grönemeyer erinnern. Von den Anfängen, als der Blondschopf mit seiner Schülerband tapsig versuchte, seine eigene Stimme zu finden, über die Entdeckung als wiedergeborener Gerhard Gundermann bis zu diesem Album ist eine Entwicklung erkennbar: Christian Haase hat seine eigene Stimme gefunden, und es ist die vielleicht originellste, die im deutschsprachigen Rock zur Zeit zu hören ist.

Denn hier quengelt einer nicht oder beklagt sein schweres Los. Nein, Haase sagt „Das Leben ist immer schön, aber man muss es auch erkennen wollen“. Um dieses Erkennen geht es in den neuen Stücken: Dass Verlieben blöde macht, ist ein bekanntes Phänomen. Dass sich dieser Zustand jedoch auch genießen lässt, ja, dass er unbedingt genossen werden sollte, das ist Haase-Philosophie im Offbeat-Rhythmus. „Bei dem Text musste ich mir mehr Zeit lassen als gewöhnlich, weil ich dem negativen Tenor des Song-Titels entgegenwirken wollte“, sagt er, „denn verliebt sein ist ja was Wundervolles“.

Nicht singend die Welt verbessern

Der Mann ist politisch, das war er immer schon. Doch er ist es inzwischen auf eine weniger plakative Art als damals auf seinem Album „Nimmersatt“, das leise, aber sehr direkt mit den Sünden der Wohlstandsgesellschaft abrechnete. Haase prangert nicht an, er legt keine Finger in Wunden und stochert nicht im Leid der Welt. Mit Absicht. „Diesmal werden eher die Auswirkungen einer verfehlten Sozial- und Arbeitspolitik auf das persönliche Leben in Familien und Zwischenmenschbeziehungen besungen“, beschreibt er. Es geht nicht darum, singend die Welt zu verbessern. Sondern darum, an sich selbst zu arbeiten. Den Syrien-Konflikt, sagt Haase, empfinde er als düsteren Schatten. „Aber ich habe verstanden, dass ich nur dann helfen kann, Konflikte um mich herum zu lösen, wenn ich selbst konfliktfrei bin.“ Gegen den Krieg rocken, das bringt nur etwas, wenn es etwas in einem selbst ändert. „Im Flugzeug soll man sich auch zuerst selbst die Sauerstoffmaske aufsetzen und dann erst seinen Kindern helfen“, sagt Christian Haase, der hier eine Beschreibung all dessen sieht, was er tut und wofür er steht: „Eine allumfassende Metapher.“

Gemeinsam mit seinem langjährigen Gitarristen René Schostak übersetzt der mittlerweile in Berlin lebende Songschreiber das Erbe der großen Deutschrock-Ära in eine neue Zeit, in der neue Produktionsbedingungen herrschen. Zwar hat Christian Haase einen Vertrag mit der renommierten Plattenfirma SPV. Doch finanziert hat er „Alles was gut ist“ über eine Sammelaktion im Internet. Zwei Jahre haben sie so zusammen mit Schlagzeugerin Tina Powileit (Mona Lise) und Bassistin Daniela Schwabe am Album arbeiten können, unterstützt von der Fangemeinde, die über die Dresdner Plattform startnext 8 000 Euro vorstreckte.

Kein Neid auf früher

Für Haase kein ungewöhnlicher Ansatz. „Die Ansprüche der Medien und nicht zuletzt der Hörer steigen, deshalb muss man wenigstens mithalten können.“ Dank der Unterstützung der Fans, die mit CDs, Merchandising und einem privaten Solo-Konzert entlohnt werden, stehe das Album nun „in nichts“ einer hoch dotierten Produktion nach. „René und ich haben auf einem Minimum-Kosten-Level gearbeitet und trotzdem eine fette Produktion stemmen können.“

Dass es die Vorväter Lindenberg, Maahn und Rio Reiser noch sehr viel leichter hatten, ihre Ideen zu Musik zu machen, stört Christian Haase nicht. „Ich bin stolz, in den Fußstapfen eines Lindenberg, Grönemeyer oder Kunze zu gehen und deren Traditionslinie mit moderneren Mitteln weiterzuführen“, sagt er. Neid darauf, dass früher alles leichter war, kennt er nicht. „Der eine oder andere hat zwar einen goldenen Topf, aber was interessiert mich das Gefäß.“

Hier geht es um Inhalte, um echte, handgemachte Musik und um den Anspruch, der wachsenden Zahl von Casting-Shows mit ihrem fortwährenden Ausstoß an Superstars vom Fließband etwas Originäres entgegenzusetzen. Statt „Tralala-Musik mit Blabla-Poesie“ will Haase wieder Tiefe, echte Gefühle, Poesie und wahres Leben. Er sieht sich als legitimen Erben der großen Alten, die ihr Publikum noch fanden, ohne ihm nach dem Mund zu singen. Christian Haase, der sein Album nicht ganz zufällig einem „Udo L.“ gewidmet hat, glaubt an alles, was gut ist. Aber auch daran, dass alles gut werden wird, was noch nicht gut ist: „Letztlich müssen nur mal ein paar Radiomusikjournalisten von ihren hohen Rössern steigen und wieder Musik spielen, die ihre Hörer interessieren könnte“.

Kostenloser Song-Download: www.haase-band.de