Rio Reiser Rio Reiser: Für immer und dich, immer gegen die Menschenfresser
Halle/MZ. - Die Sehnsucht nach seinen Liedern, die so verblüffend einfach, so radikal liebend sind, ist offenbar groß, aber eben auch zu privat, als dass man sie etwa einem dieser smarten Markt- und Meinungsforscher anvertrauen würde.
Und warum ist das so? Weil Rio Reiser wie kein anderer deutscher Popstar Intimes und Öffentliches, Persönliches und Politisches wie selbstverständlich und ohne Peinlichkeit zu verbinden verstand. Nicht zuletzt ist es die Lust der Kolleginnen und Kollegen Musiker, sich des Erbes fröhlich zu versichern, die als Indiz für Reisers Lebendigkeit gelten kann.
Fast scheint es, als würde er erst jetzt (und gerade in der Brechung durch andere Interpreten) von den Klischees befreit, die an ihm hafteten wie altes Lametta: Reiser, der Anarchist. Der Barrikadenbauer. Der Verräter. Der Schlagersänger. Der Mann, der sich um des schnöden Geldes willen dem Kapital ergibt. Alles Unsinn. Vor zwei Jahren gab es ein erstes "Familienalbum", auf dem sich Künstler wie Die Söhne Mannheims, Fettes Brot und Marianne Rosenberg vor Rio verneigten - und die Gemeinde mit schönen Liedern überraschten. Nun ist ein zweiter Band des Albums abgemischt und wird im Oktober bei edel records erscheinen. Wieder ist man ganz in Familie, wieder ist sie bunt gescheckt. Und wieder geht es direkt ins Herz.
"Für immer und dich" gibt es von Rio selber, Dorfdisko sehen "Land in Sicht", Annett Louisan entdeckt das kleine Lied von der "B-Seite" neu, Keimzeit schrammeln das gar nicht so museale Proteststück "Mensch Meier" direkt unter die Haut und Reinhard Mey überrascht mit "Zauberland". Alles fein.
Die Höhepunkte? Zweitfrau interpretieren das bittertraurige Lied vom "Menschenfresser": "Menschenfressermenschen haben auch ein Herz für Kinder. Menschenfressermenschen leben meistens viel gesünder." Joachim Deutschland, der so gern den bösen Buben gibt, liefert ein knackiges "Keine Macht für niemand" ab. Und die Söhne Mannheims steuern "Mein Name ist Mensch" bei. Rios Glaubensbekenntnis. Das hätte er gern gehört.