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Richard Hamilton Richard Hamilton: Gründungsvater der Pop Art wird 85

Von Gerd Korinthenberg 23.02.2007, 12:30
Der britische Pop-Art-Künstler Richard Hamilton feiert am 24. Februar 2007 seinen 85. Geburtstag. (Foto: dpa)
Der britische Pop-Art-Künstler Richard Hamilton feiert am 24. Februar 2007 seinen 85. Geburtstag. (Foto: dpa) dpa

London/dpa. - Es war eine einzige, eher kleinformatigeFotocollage, mit der der britische Künstler Richard Hamilton seinenseit 50 Jahren anhaltenden Ruhm begründet hat. «Just what is it thatmakes today's homes so different, so appealing?» («Was ist es nur,was das moderne Zuhause so anders, so anziehend macht?») heißt das1956 aus Zeitschriftenschnipseln komponierte Reklame-Wohnzimmer.Eingefügt hat Hamilton ein Pin-up-Girl und einen Bodybuilder, dereinen Riesenlolli mit der Aufschrift «Pop» in seiner Hand hält. Dasverwirrende Mosaik aus Banalitäten und Trivialitäten wurde gleichsamzur Ikone der britischen Pop-Art: Der in London geborene RichardHamilton, Gründungsvater dieser oft missverstandenen neuen Kunst,wird am kommenden Samstag (24. Februar) 85 Jahre alt.

Bekannt wurde Hamilton, der beruflich zunächst mit Werbung undIndustriedesign begonnen hatte, durch Bilder, bei denen er Attributedes zeitgenössischen Lebens und Technologien des 20. Jahrhunderts indie bildende Kunst einführte. Fotografien, Plakate, Fernsehspots undKitsch-Gegenstände schlachtete er als «Rohstoff» aus und setzte siein traditionelle Genres wie die Darstellung von Innenräumen, Akten,Stillleben oder Porträts um; Gegenstände und Menschen bekommen dabeioft eine Beklemmung auslösende Gleichwertigkeit.

Die Art und Weise, wie Hamilton industrielle und kommerzielleKunst für die «hohe Kunst» nutzbar mache, habe «revolutionärenCharakter», sagte noch vor wenigen Tagen FrankfurtsOberbürgermeisterin Petra Roth (CDU), die den angesehenen Max-Beckmann-Preis der Stadt an den Briten überreicht hat. «Will derKünstler nicht einen Großteil seiner althergebrachten Bestimmungverlieren, so wird er die Massenkünste plündern müssen», forderteHamilton, der seit den 1990er Jahren mit zahlreichen Ausstellungenund Preisen, darunter dem «Goldenen Löwen» (1993) der Kunstbiennalevon Venedig, geehrt worden ist.

Während die US-amerikanischen Giganten der Pop-Art von RobertRauschenberg bis Andy Warhol ihre Motive vor allem der grellenWerbung und der Warenwelt entlehnten, ist das Werk Hamiltonsbritisch-intellektueller, seine Mittel subtiler: Das «Spiel» mitFotomaterial, sein bis heute anhaltendes Interesse an der grafischenNutzung neuester Computer-Technik, sind ebenso Stilmittel wie derhäufige Verzicht auf die herkömmliche Bildperspektive. Die«abgegriffenen» Versatzstücke der Konsumwelt, faszinierend undabschreckend zugleich, scheinen haltlos durch die Bildräume zuwirbeln.

Hamilton, der sich immer wieder in Verehrung und Nachfolge MarcelDuchamps auf den Kunstwert banaler Gegenstände beruft, schafft einekritische Wirklichkeit, indem er die kollektiven Träume undSehnsüchte seines Publikums gleichsam unterläuft. Die fragliche«Realität» der Medien, verschleiernd, vereinfachend, verschönend,versteht der Künstler mit deren eigen Mitteln und Bild-Sprache zuschlagen.

In Werken wie «My Marilyn (paste up)» (1964) lässt sich HamiltonsAblehnung der Zurichtung von Menschen für gängige Markt- undGeschlechterklischees ablesen: Bei den Fotos des posierendenSuperstars streicht er - wie ein Grafikdesigner - die Bilder aus, dieden Erwartungen der «Konsumenten» nicht entsprechen könnten. Für «Thecitizen» (1982-83) malte er schockierende Fernsehaufnahmeninhaftierter IRA-Häftlinge nach, die im Kampf für einen politischenStatus ihre Zellenwände mit Kot beschmiert hatten und stattAnstaltskleidung Decken trugen. Sein Missfallen am Golfkrieg drückteer 1991/92 in bluttropfenden «War Games» aus.

Nicht nur theoretisch setzt sich Hamilton bis heute gern in Essaysmit seiner Kunst auseinander. Dem mittlerweile weißhaarigenehemaligen Dozenten angesehener britischer Kunstschulen hingenunlängst junge Düsseldorfer Kunststudenten geradezu an den Lippen,als der Gründungsvater des Pop in einem langen Vortrag beredt undbegeisternd seinen Weg durch die Welt der Kunst schilderte.