Rezension Rezension: «Das Methusalem-Komplott»
Hamburg/dpa. - Die Alten sind im Kommen. Die ersten Kinder der Babyboom-Phase haben ihren 50. Geburtstag bereits hinter sich. Die alternde Gesellschaft, von den Demographen seit vielen Jahren mit harten Zahlen vorhergesagt, wird auf der Straße sichtbar. Angesichts des herrschenden negativen Bildes vom Alter befassen sich nun Autoren mit den Folgen der Entwicklung. Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», entwirft in seinem Buch «Das Methusalem-Komplott» mit drastischen Worten und plakativen Vergleichen ein Schreckensgemälde der künftigen Gesellschaft - falls sich nicht das Denken der Alten und das Denken über die Alten ändert.
Der heutige diskriminierende Umgang mit Älteren wirkt auf Schirrmacher derart krass, dass er von «Altersrassismus» spricht. Er sieht einen «Krieg der Generationen» aufziehen, in dem die vielen Alten von den Jungen miternährt und als «Kannibalen» erlebt werden. Die Alten selber müssen sich auf eine «Gehirnwäsche» einstellen, in der ihr Selbstvertrauen und ihre Würde zerstört wird. «Die Jugend von morgen wird den Darwinismus entdecken», meint er. Und die Jungen selbst leiden früh am eigenen Älterwerden. Die Alterskatastrophe des Einzelnen beginne oft schon mit 40 Jahren, schreibt der 44-jährige Autor. Und schon auf 30-Jährige werfe das Alter seine Schatten. «Der Hass auf das Alter und die Angst vor ihm sind Urgewalten.»
Andererseits sei die heutige Situation, in der immer mehr Menschen immer älter werden, ein «in der Menschheitsgeschichte einzigartiges und von uns allen nicht vorhersehbares Abenteuer». Zugleich werden im alten Europa, vor allem in Deutschland, immer weniger Kinder geboren. Die daraus folgende Erschütterung der Sozialsysteme und die psychologischen Veränderungen haben Politik und Bürger nach Auffassung von Schirrmacher noch gar nicht richtig erfasst. Den Beginn des Konflikts datiert er auf das Jahr 2010, wenn die ersten Nachkriegsjahrgänge in den Ruhestand gehen und diese «willkürliche Grenze» ins Rentnerdasein überschreiten. Darum gehe es in den nächsten Jahrzehnten, um «diese unglaubliche Prozession riesiger Geburtsjahrgänge, die den Weg zum Schlagbaum antritt».
Schirrmacher verknüpft Statistiken über Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und der Welt mit Ergebnissen der Altersforschung sowie politischen Prognosen und Diskussionen. Bei der Beschreibung des Schreckensbildes vom Alter skizziert er zahlreiche Aspekte wie den Jugendwahn, die Rolle von Medien und Filmindustrie, Scham- und Schuldgefühle wegen des Älterwerdens oder eine nur an Fortpflanzung interessierte Natur. Er geht auch auf die Kosten des Älterwerdens ein und damit verbundene Gedanken an Euthanasie oder einen heroischen Freitod zum Wohle des Ganzen. Bei der globalen Betrachtung bezieht er den Kampf der Kulturen ein. «Die Alterung der Industrienationen wird wie eine Sinuskurve in den nächsten 30 Jahren durch die gewaltige Jugendwelle der muslimischen Länder überdeckt.»
In dem Band, in dem der Publizist oft von «wir» und «uns» spricht und den Leser vertraulich mit «Sie» anredet, werden viele Facetten aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel ins Schlaglicht gerückt, allerdings auch sprunghaft und nur kurz. Immer wieder blitzt im Text auf, worum es Schirrmacher geht: Um den Aufstand der noch jungen und der älter werdenden Menschen gegen das negative Bild vom Alter, um ein Komplott der modernen Methusalems gegen überholte Vorstellungen. Dabei hofft Schirrmacher auf die zwischen 1950 und 1964 geborenen Babyboom-Generationen, die mit ihrer Gestaltungskraft ihr Leben in den späten Jahren auf neue Art führen werden. Ferner weist er auf Studien hin, wonach die Lernfähigkeit im hohen Alter nicht nachlässt oder alte Menschen persönlich viel zufriedener sind als angenommen.
Doch den größten Raum gibt Schirrmacher dem Katastrophenbild von der alternden Gesellschaft und den Gründen für eine Revolution gegen die Diskriminierung des Alters. Einer positiven gesellschaftlichen Vision und der tatsächlichen inneren Befindlichkeit älterer Menschen widmet er hingegen nur wenige Seiten. Es gibt keine Vorbilder des neuen Alters, stellt er bedauernd fest.
Dies ist in der Tat ein Manko, auf das auch Thomas Druyen in seinem Buch «Olymp des Lebens. Das neue Bild des Alters» eingeht. Er sieht die geschenkten Jahre des Einzelnen als Chance für eine «Zweite Reifung». Nach Kindererziehung und Beruf könnte der ältere Mensch sich endlich wieder auf sich selbst besinnen und alte Träume erfüllen. Druyen geht intensiv auf die Voraussetzungen dafür ein; so gehöre Mut dazu, alte Pfade zu verlassen. Als einen Hauptgrund für die Verachtung des Alters macht er die Verdrängung des Todes in unserer Gesellschaft aus. Sich mit der Wirklichkeit des Todes auszusöhnen, sei Aufgabe jedes Menschen, ob jung oder alt. Druyen, Jahrgang 1957, ruft auch zu einem Dialog der Generationen auf - denn sie brauchen einander.
Frank Schirrmacher: Das Methusalem-Komplott
Karl Blessing Verlag, München 2004
220 Seiten, 16,-- Euro
ISBN 3-89667-225-8
Thomas Druyen: Olymp des Lebens. Das neue Bild des Alters
Luchterhand, Neuwied 2003
272 S., 29,80 Euro
ISBN 3-472-05671-1