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Renata Tebaldi Renata Tebaldi: Engelsstimme und Callas-Rivalin

Von Carola Frentzen 19.12.2004, 14:26

Rom/dpa. - Renata Tebaldi war eine vollkommene Dame. Höflich undherzlich, «strahlend und elegant wie so viele der Persönlichkeiten,die sie so wunderbar interpretiert hat», schrieb ein Kritiker einmal.Immer wieder wurde die sanfte Italienerin mit Maria Callas verglichen- und die Rivalität der beiden Primadonnen bot in den 50er und 60erJahren regelmäßig Stoff für die internationalen Klatschspalten. Inder Nacht zum Sonntag starb Renata Tebaldi nach langer Krankheit imAlter von 82 Jahren in ihrem Haus in San Marino. Mit ihrem Todverliert die Welt eine der größten Sopranistinnen der Nachkriegszeit.

Der Vergleich der «Engelsstimme» mit Maria Callas verfolgteTebaldi zeitlebens, manchmal wurde sie gar - ungerechterweise - als«Anti-Callas» bezeichnet. Die überwältigende Bühnenpräsenz und dasTemperament ihrer Kollegin erreichte Tebaldi zwar tatsächlich nie.«Aber ich habe etwas, was die Callas bestimmt nicht hat - nämlichHerz», sagte die ansonsten eher zurückhaltende Sängerin einmal fasttrotzig. Und dieses Herz gehörte vor allem zwei Komponisten: Verdiund Puccini. Verdi, «weil seine Musik wie eine Medizin ist, dieDich begleitet»; Puccini, «weil er so modern ist», erklärte Tebaldiin einem Interview. Das Weiche und Süße, «das betörende Piano» wareneben ihr Metier.

1922 in Pesaro geboren, hätte Renata eigentlich Drogistin werdensollen. Sie wuchs in kleinen Verhältnissen auf, mit drei Jahrenerkrankte sie an Kinderlähmung. Erst mit sechs Jahren lernte siewieder gehen. Vielleicht war es dann letztlich ihr Vater, einmittelloser Orchestermusiker, der ihr den Weg zur Gesangsschule vonParma ebnete. Den großen Durchbruch verschaffte ihr Arturo Toscanini,der die damals 24-Jährige 1946 zur Wiedereröffnung derkriegszerstörten Mailänder Scala holte. Sie sang Verdis «Te Deum», soüberzeugend, so sanft, so weich, dass Toscanini ihr den Namen«Engelsstimme» verlieh. Italienische Medien würdigten Tebaldi amSonntag als «süßen, himmlischen Mythos».

«Sie hat eine weiche und runde Stimme, zauberhaft einschmeichelndin ihren Kopftönen, strahlend im Glanz des Forte», schwärmtenBewunderer nach dem internationalen Durchbruch, den die Tebaldi 1955in der Metropolitan Opera in New York feierte. Amerika lag ihr fortanzu Füßen, die dortigen Erfolge ließen sie in den 60er Jahrenzeitweise zur Fremden in der eigenen Heimat werden. Sie sang allegroßen Rollen, von der Aida bis zur Tosca und duettierte mit Tenörenwie Mario Del Monaco, Franco Corelli, Richard Tucker und PlacidoDomingo.

«Mit der Oper verband mich über die längste Zeit meines Lebenseine schier unauflösliche Liebesbeziehung», sagte die Primadonnaeinmal von sich selbst. «Der Gesang war der Inhalt meines Lebens, sosehr, dass ich nie eine Familie gründen konnte.» 1973 zog sie sichvon den Operbühnen der Welt zurück und lebte fortan - ihremTemperament entsprechend - zurückgezogen in Mailand und San Marino.«Ich habe nicht mehr gesungen, weil ich eine gute Erinnerung von mirhinterlassen wollte», erklärte sie später. Die Erinnerung an eine derbeeindruckendsten und liebevollsten Stimmen des 20. Jahrhunderts.