Rammstein in Leipzig Rammstein in Leipzig: Missverständnisse zum Marschgesang
Leipzig/MZ. - Soundtrack des Lebens
Was sich in der mit 12 000 Besuchern ausverkauften Arena bisweilen diesseits der bombastisch zur Theaterkulisse aufgerüsteten Bühne abspielte, kann mit gutem Willen nur unter dem Arbeitstitel "Das große Missverständnis" archiviert werden. Auf den Rängen und Gängen konnte man fast alles erleben, was an anderer Stelle zu Platzverweisen, Ermittlungsverfahren und aufgeregten Diskussionen geführt hat: Vom Hitlergruß über das Tragen des verbotenen Gaudreiecks bis zum vielkehligen "Heil", wo Sänger Till Lindemann als Echo auf "Links" eigentlich ein einstimmiges "Zwoo" erwartet hatte.
Doch mit Anspruch und Wirklichkeit ist das nun mal so eine Sache. Von der Basis des Gründungsjahres, die das Projekt der unerschrockenen Punk-Musikanten als eben jene freche Provokation und Persiflage bejubelt hatten, die es auch sein sollte, sind Rammstein heute 130 Monate und Millionen verkaufte Scheiben entfernt. Militante Rocker, rechte Glatzen und muskelbepackte Sonnenstudio-Dauergäste, vor denen sich die Fans der Rammstein-Vorläufer Feeling B oder First Arsch früher in Acht nehmen mussten, buchstabieren die Texte und die Musik der Band längst als Soundtrack ihres Daseins.
"Feuer frei" oder "Mein Teil" werden von den durchtrainierten Jungmannen ebenso auf ihr Marschgesang-Potenzial reduziert wie die Frühwerke der deutschen Hit-Maschine. Dass es am gesanglichen, musikalischen und dramaturgischen Vermögen der Rammsteiner auch in Leipzig nichts zu kritteln gab, ändert nichts daran: Der Band, die buchstäblich mit dem Feuer spielt, ist längst der Deckel vom brodelnden Topf geflogen.
In der Arena hatten Apolcalyptica zuvor beim Anheizen des Saals ganze Arbeit geleistet. Lindemann zeigte sich nach dem Fall des Vorhangs - Anfang, nicht Ende - von Beginn an am Mikro genauso in Heimspiellaune wie Christoph Schneider am Schlagwerk, Oliver Riedel am Bass, Christian "Flake" Lorenz am Keyboard sowie Richard Kruspe und Paul Landers an den Klampfen.
Unter schweren Scheinwerferbatterien und häufigem Beschuss der Pyrotechnik lieferte die Band ein Konzert aus einem Guss. Lockerer ist eine Hochofen-Symphonie schon lange nicht mehr über die Bühne gegangen. Im Vergleich mit den ersten Stationen ihrer Tournee wirkte das, was Rammstein in Leipzig bot, alles etwas befreiter. Selbst die auf jetzt und hier nachpolierten Gassenhauer der Rammstein-Frühphase lösten unter den Veteranen im vieltausendköpfigen Fanblock eher Euphorie als nostalgische Enttäuschung aus. Ob "Rein raus" oder "Keine Lust" - Tillmann und Genossen kennen ihre Pappenheimer. Und die danken es mit virtuosem Getobe. Für Headbanging braucht man schon längst keine langen Haare mehr.
Grüße an Manson
Der Vergleich mit Alice Cooper und Marylin Manson, so überstrapaziert wie er auch sein mag, drängte sich bei jedem neuen Titel auf. Die Show gehört zum Gesamtkunstwerk Rammstein wie die unüberschaubaren Souvenir-Stände im Arena-Foyer. Dort konnte sich verlustieren, wer nach den Zugaben "Ohne Dich" und "Stripped" noch immer nicht genug hat von Rammstein. Bis zum nächsten Mal.