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Rainald Grebe Rainald Grebe: «Meine Heimat ist der ICE»

26.01.2011, 08:39

Leipzig/dpa. - Grebe steckt noch mitten in den Proben, fürdas dpa-Interview opferte er eine Zigarettenpause.

Ihr neues Stück heißt die «WildeWeiteWeltSchau». Welche Welt erwartetdas Publikum denn?

Grebe: «Der Abend im Centraltheater ist eine Mischung aus denkolonialen Völkerschauen Anfang des 20. Jahrhunderts, wie es sie auchim Leipziger Zoo gab, und einer modernen Touristikmesse. Wir springenzwischen diesen beiden Themen, zwischen diesen beiden Zeiten hin undher. Es geht um das Reisen, um Exotik und Sensation. Und immer um denBegriff Schau, um dieses Starren. Mich haben die Schnittstellenzwischen Kolonialismus und Tourismus interessiert. Und zwischen realErlebtem und Fiktion.»

In der Ankündigung zu Ihrem neuen Stück heißt es, Sie seien mit demReiseführer unter dem Arm umhergereist - oder doch nur mit der Mausbei Google Earth im Internet. Was stimmt denn nun?

Grebe: «Es stimmt beides. Ich hatte im vergangenen Jahr vier Monatefrei, da war ich viel auf Reisen. Ich war in Afrika und in derSchweiz - und im Sorbenland, also in der Lausitz. Dabei habe ich michgefragt: Wie kann ich vom Reisen erzählen? Wie kann ich meineErlebnisse belegen? Was macht Reisen eigentlich noch aus, wenn heutedank Google Earth, Youtube und Wikileaks alles auch im Internet zuerfahren ist? Das alles lotet das neue Stück aus. Und im besten Fallmacht es Lust auf's Reisen. Dabei ist es eigentlich egal, wohin.Hauptsache, nicht bleiben, wo man ist.»

Beim Reisen geht es oft um das Wohin, aber immer auch um das Woher.Sie sind in Köln geboren, stellten sich bei Ihren Bühnenprogrammenjahrelang als Thüringer vor, inzwischen wohnen Sie in Berlin undmachen Theater in Leipzig. Was nennen Sie heute Ihre Heimat?

Grebe: «Meine Heimat zu definieren fällt mir in der Tat schwer.Wahrscheinlich würde ich sagen Berlin - oder der ICE. Ich bin ständigunterwegs und ich reise auch gern durch Deutschland. Das Reisen istja eine ständige Fluchtmöglichkeit. Ich finde es toll, in eine Stadteinreiten zu können und zu wissen: Bald bist Duwieder weg. Zuhause ist dann oft nur noch der Ort, an dem man seineWäsche wäscht.»

Was bedeutet Heimat für Sie als Vielreisenden dann noch?

Grebe: «Der Begriff macht viel aus, aber ich kann mich schlecht aufeinen Ort festlegen. Wahrscheinlich ist meine Heimat einfach diedeutsche Sprache, der deutsche Sprachraum. Hier kenne ich mich aus.Ich erzähle seit etwa zwei Jahren etwas von einem Haus auf dem Land,das ich mir kaufen will. Von der Ruhe, die man mit zunehmendem Alterbraucht, von einem Fixpunkt. Aber die Reiseexistenz hat einfach was.»

Theaterpremiere in Leipzig, Anfang Februar die neue CD, aufgenommenmit einem Orchester, und gleich danach die zugehörige Tour quer durchDeutschland. Ist das nicht ein bisschen «Karoshi», wie Sie einst einLied nannten: nah an der Überarbeitung?

Grebe: «Ich promote die CD nicht, dafür habe ich wirklich keine Zeit.Aber alles andere wollte ich genau so. Ich lebe sehr aus der Arbeit.Ich habe mit Freizeit ein Problem, ich kann damit nicht vielanfangen. «Karoshi, karoshi», das ist mein Prinzip. Nach dem Ende derTour werde ich wohl gleich die nächste Platte aufnehmen. Mit meinemTrio, der Kapelle der Versöhnung.»