Premierenreigen auf Halles Kulturinsel Premierenreigen auf Halles Kulturinsel: Die Stunde der Komödianten
Halle/MZ. - Die von Barbara Zinn zum Beispiel, bislangeher nicht auf die großen Rollen abonniert.Und nun dieser Monolog, ein Monstrum von Text:Eva Braun, Hitlers Geliebte, in ihrer wahnwitzigenHochzeitsnacht im Führerbunker. Barbara Zinnzeigt uns Frau Hitler, die erste unter dendeutschen Frauen, wie sie selbst sich siehtin dieser Nacht zwischen Walpurgis und scheppernderGötterdämmerung, wie sie ihr Leben noch einmallebt: den naiven Triumph der Auserwählten,den Traum vom Film, die Demütigung der langeverleugneten Konkubine, den bitteren Spottüber das jammervolle Gemächte des Herrn Führers,auch den Hass. Ehrhard Preuk hat "Eva. HitlersGeliebte" von Stefan Kolditz sparsam, aberpointiert inszeniert. Es darf auch gelachtwerden, aber dann bleibt es einem im Halsestecken. Viel Beifall, zu Recht, für BarbaraZinn.
Von ähnlicher Dichte ist auch der Auftrittdes Seniors Siegfried Voß. Sehenswert, wieder in "Sibirien" von Felix Mitterer (Regie:Joachim Unger) die Spannung hält bis zum makaber-schlüssigenEnde seiner bestellten Tötung durch die wortlosagierende Frau (im perfekten Business-Kostüm:Alexandra Elisabeth Kuziel). Aufbrausend,resignierend, einsichtig und immer noch intolerantzeigt der Alte sein ganzes Leben her, den"Krieg" mit den Kindern und die gegenseitigenVerletzungen. Das ist so stringent, dass eseinen frieren möchte im warmen Saal. (AndreasMontag)
Szenenwechsel: Das menschliche Bestiariumaus dem Blickwinkel Außenstehender zu betrachten,ist ein alter, aber guter Trick in der Theaterkunst.Ein Schwein im Angesicht der Schlachtbankbeispielsweise kann unbefangen von artgerechterHaltung grunzen und damit doch nicht nur deneigenen Stall meinen. Stanislaw Brankatschkpräsentierte in Strieses Biertunnel die "Strategieeines Schweins" von Raymond Cousse (Regie:Marie Anne Fliegel). Brankatschk trat aufals Politiker einer Schweinepartei, der dieLebensbedingungen seiner Spezies nur verbessernwill, um die Schinken- und Blutwurstqualitätbis in alle Ewigkeit zu sichern. Eine Sternstunde:die blutig-erotische Vision aus einer Fleischfabrik.
Die Außenperspektive ist in Jean-Marie Frins"P'tit Albert" (Regie: Rayk Gaida) dem irrenTom übertragen, der nicht ganz so irr istwie seine Mitbewohner, denen er das Essenserviert. Einen Ausbruch hat Tom hinter sich,ansonsten ist er zufrieden, er wird gebrauchtund lebt deshalb in der besseren Welt. FranzSodann hatte es nicht leicht in diesem verschlüsseltenStück, das mit wenigen Höhepunkten und einigenLängen ausgestattet ist.
Solide jonglierte er mit Toms Wortverdrehern,doch konnte er nicht alle seiner wirren Geschichtenmit Leben füllen, Wahnsinn und Normalitättrafen sich beim ihm oft in einem halbherzigenMezzoforte. Positiv ausgedrückt: Hier ginges weniger um Wahnsinn - hier gab sich einerder Träumerei vom Leben in Kollektivität hin. (Johannes Killyen)