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Pralle Lebenslust: Hans Pleschinskis «Ludwigshöhe»

Von Elisabeth Werthern 13.10.2008, 16:04

München/dpa. - Die drei müssen seine Villa am Starnberger See für Lebensmüde öffnen, denen sie auch noch bei ihrem letalen Vorhaben mit Rat und Tat zur Seite stehen sollen. Doch anstatt ihrem irdischen Dasein zügig ein Ende zu bereiten, erobern sich die Todgeweihten das Leben Stück für Stück zurück.

Hans Pleschinski ist mit «Ludwigshöhe» ein augenzwinkernder, überaus charmanter und optimistischer Roman über menschliche Schwächen und die Schönheit des Lebens gelungen, der in vielem an Thomas Manns «Zauberberg» erinnert. Denn hier wie dort erweisen sich Ort und Personen als exemplarisch für ihre Zeit. Während Mann in seinem Schweizer Sanatorium Repräsentanten des europäischen Fin de siecle vor dem Ersten Weltkrieg versammelt hat, lässt Pleschinski Menschen mit den typischen Gebrechen der Gegenwart zusammen finden: Überdruss, Angst, Einsamkeit und Liebesleid.

Eine vereinsamte Schauspielerin, eine frustrierte Lehrerin, ein von Minderwertigkeitsgefühlen geplagter Bühnenbildner, ein bankrotter Verleger und viele mehr kommen an den Starnberger See, um ihrem verpfuschten Leben ein Ende zu setzen. Doch plötzlich fehlt «die Kraft für den Kraftakt», die Gäste auf Zeit merken: Es ist gar nicht so leicht zu sterben, wenn nach der ersten Nacht nicht einmal ein Frühstück auf dem Tisch steht. Auch angesichts der Erfahrung, dass «das Unglück der anderen oft übers eigene hinweg tröstet», erwachen die Lebensgeister.

Ein zwanghaft penibler Hausmeister macht den Anfang und eilt nicht etwa in den Keller zur finalen Tat, sondern in den verwahrlosten Garten, um der wildwuchernden Hecke mit der Schere zu Leibe zu rücken. Und so füllt sich die Villa - zum Verdruss der ihr Erbe davonschwimmen sehenden Gastgeber - bald mit sehr diesseitigen Aktivitäten: Es wird gespeist und geliebt, Marmelade gekocht und das Haus renoviert, und schließlich dringen die «Finalisten» gemeinsam in den Keller vor, in dem sich die Lebensmüden eigentlich selbst los werden sollten.

Pleschinski, jener «begnadete letzte Nachfahre des Rokoko» (Welt Online), schreibt mit seinem neuen großen Roman erneut gegen deutsche Miesepetrigkeit, die pessimistischen Tendenzen in der deutschen Literatur sowie gegen die gegenwärtige «Mischung aus größter Freiheit und maximaler Spießigkeit» an. Im Angesicht des Todes siegt die Lebensfreude, lautet die Botschaft dieser wunderbar lebensklugen, genau beobachteten und keineswegs gefühlstaumeligen Geschichte voller ironischer Pointen. «Der Tod», so sinniert Erbe Ulrich, «ist zum Programmfehler heruntergekommen, was er sich womöglich nicht lange gefallen lässt? Ich will nicht behaupten, er freut mich, aber er macht mich doch zumindest - reich.» Das Buch, so meint hr-online, vermittele «pralle Lebenslust». Deshalb sollte man es «beim ersten Anflug von Herbstdepressionen» lesen.

Hans Pleschinski

Ludwigshöhe

Verlag C. H. Beck, München

560 S., Euro 24,90

ISBN 978-3-4065-7689-8