1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Porträt: Porträt: Evelyn Hamann - Die Verwandlungskünstlerin

Porträt Porträt: Evelyn Hamann - Die Verwandlungskünstlerin

Von Carsten Rave 29.10.2007, 15:00

Hamburg/dpa. - Evelyn Hamann ist in der Nacht zum Montag nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 65 Jahren im Kreis ihrer engsten Angehörigen gestorben. Mit ihrer Mimik, ihren lustigen Augen, ihrer knolligen Nase, ihrem schrägen Lachen und oft wechselnden Perücken avancierte sie zu einer der größten deutschen Komödiantinnen und Verwandlungskünstlerinnen.

Das Jahr 1976 markierte den Wendepunkt im Leben der Schauspielerin. Denn da entdeckte Vicco von Bülow alias Loriot die damals 34-Jährige für seine Zwecke beim Sender Radio Bremen. Der große Meister hatte zunächst an eine ganz andere Partnerin gedacht. Sie sollte blond und pummelig sein. Hamann war schlank und dunkelhaarig. Ob sie denn mit genügend Schweinshaxen dicker werden könne, fragte Loriot damals. Wohl nicht, aber er entschied sich trotzdem für Hamann. «Bei aller gebotenen Bescheidenheit: Ohne das nötige Talent hätte der mich auch nicht genommen», sagte sie später einmal.

Die berühmteste Szene mit Loriot und Hamann war der «Nudel-Sketch» im Restaurant: Als Fräulein Hildegard starrte Hamann gebannt und mit fast starrer Miene auf die Nudel, die an verschiedenen Stellen im Gesicht ihres Gegenübers kleben blieb. Doch der achtete nicht auf ihre Hinweise und suchte stattdessen das intensive Gespräch mit ihr: «Bitte sagen Sie jetzt nichts, Hildegard». Auch ihre Einlage als Ansagerin eines englischen TV-Krimis blieb unvergessen, weil sie sich bei den schwierigen Namen immer wieder verhaspelte. An Loriots Seite trat sie auch in den Spielfilmen «Pappa ante Portas» und «Ödipussi» auf.

Die ARD zeigte im Mai dieses Jahres die letzten mit ihr produzierten Folgen aus der populären TV-Reihe «Adelheid und ihre Mörder». In ihrer Rolle als Polizeisekretärin Adelheid Möbius löst sie knifflige Kriminalfälle, die ihre leicht trotteligen Vorgesetzten wie Heinz Baumann, Dieter Brandecker und Oliver Stern nicht zu lösen imstande waren. Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) zeigt derzeit die Wiederholungen im NDR-Fernsehen (dienstags um 21.45 Uhr), die ARD plant eine Evelyn-Hamann-Nacht von Freitag auf Samstag.

Über ihr Privatleben ist wenig bekannt, da Hamann nur wenige Interviews gab. Sie war ein Mal verheiratet und lebte zurückgezogen im Hamburger Stadtteil Eppendorf. Auch vor ihrem 65. Geburtstag am 6. August mied sie den Kontakt zur Öffentlichkeit. Ihr letzter Auftritt außerhalb der Serientätigkeit vor einem Millionen-Publikum war die ARD-Gala zu ihrem 60. Geburtstag am 5. August 2002. Moderator Frank Elstner bot unter anderem als Gäste die französische Sängerin Patricia Kaas, «Traumschiff»-Produzent Wolfgang Rademann, den Schauspieler-Kollegen Jürgen Prochnow, Hamanns Fernseh-Mutter Inge Meysel und ihren Jugendschwarm Heinz Reincke auf. «Ich bin völlig überwältigt», sagte Hamann.

Sie stammte aus einer Hamburger Musikerfamilie. Der Vater Bernhard Hamann war Geiger, Konzertmeister des NDR-Sinfonieorchesters und Gründer des Hamann-Quartetts, die Mutter war Sängerin und Musikpädagogin, ihr Bruder Gerhard war Professor für Violoncello an der Musikhochschule Trossingen. Nach der Schauspielausbildung übernahm sie kleinere Rollen am Hamburger Thalia Theater, anschließend führten sie ab 1968 Engagements nach Göttingen, Heidelberg und Bremen.

Hamann wurde für ihre Leistungen mehrfach ausgezeichnet. Allein die Goldene Kamera der Illustrierten «Hörzu» erhielt sie drei Mal im Zehn-Jahres-Rhythmus: 1977, 1987 und 1997. Außerdem ehrte sie RTL 1997 mit dem Goldenen Löwen. Im gleichen Jahr bekam Hamann den Bayerischen Fernsehpreis als beste Seriendarstellerin in «Adelheid und ihre Mörder».