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«Polizeiruf» «Polizeiruf»: Abgeschoben ins Internat

Von Rainer Tittelbach 22.08.2008, 17:05

Halle/MZ. - Dabei ist sein bester Freund ermordet worden, ein Diplomatensohn, der besonders oft leiden musste. Er hatte einen Intimfeind, einen unverschämten jungen Mann, der sich jedem überlegen fühlt - weil er seinen mächtigen Vater hinter sich weiß, den Hauptsponsor der privaten Eliteschule.

Interne Hackordnung

Der neunte "Polizeiruf 110" mit Imogen Kogge als kluge Kommissarin Johanna Herz und Horst Krause als eifriger Polizeihauptmeister Krause spielt weitgehend in den Hallen eines hoch angesehenen Internats, in dem vorwiegend die Kinder betuchter Eltern nicht nur lernen, sondern auch ihre sadistischen Spielchen treiben. Schnöselige Jungmänner, abgeschnitten von der sozialen Realität, konzentrieren sich ganz auf die interne Hackordnung, der offenbar ein Mitschüler zum Opfer gefallen ist. Mit 2,4 Promille Alkohol im Blut wurde er im Wald gefunden - abgeladen wie ein totes Tier. "Verdammte Sehnsucht" ist von der rbb-Redaktion nicht als Anti-Wer-bung für Privatschulen gedacht. Eher als Nachdenkhilfe für Eltern, die schnell bereit sind, ihre Kinder "auszulagern" und der optimalen Ausbildung wegen in jungen Jahren aufs Internat zu schicken.

Auch jener Ermordete wurde abgeschoben, weil in der Ehe seiner Eltern nichts mehr funktionierte und so die Fassade der glücklichen Familie leichter aufrechterhalten werden konnte. Es ist kein Zufall, dass er sich in eine 20 Jahre ältere Küchenhilfe verliebt. Nina Petri, die Darstellerin der Mutter des Jungen, bringt es auf den Punkt: "Würde ich einen Sohn haben, der als 18-Jähriger mit einer 20 Jahre älteren Freundin nachhause kommt, würde ich mich fragen: ,Was habe ich falsch gemacht, dass er sich mit seiner neuen Freundin auch eine neue Mutter sucht?'."

Durch das Eintauchen in den Mikrokosmos Internat haftet diesem Krimi mehr als anderen "Polizeirufen" aus Brandenburg von vornherein etwas Künstliches an. In einer solchen realitätsfernen Welt kann die am Ende etwas überkonstruierte Geschichte auch leichter hingenommen werden. Ohnehin kommen bei einem solchen Sujet Erinnerungen an den literarischen Internats-Klassiker "Der junge Törless" auf. Robert Musils Roman und auch Volker Schlöndorffs Film spielen zwar in einer anderen Zeit, Erpressung, Dekadenz, Sadismus und sexuelle Demütigung waren wie im Drehbuch von Grimme-Preisträger Stefan Rogall aber auch damals schon die Triebkräfte der Handlung.

Starke Besetzung

Bei so viel ästhetischer Tradition ließ sich Erfolgsregisseur Bodo Fürneisen auch nicht lumpen - was die Besetzung angeht: Inka Friedrich, kurz, aber besonders nachhaltig im Einsatz, außerdem Nina Petri, Hans-Werner Meyer, Oliver Stokowski, Alexander Held und eine ganze Reihe aufstrebender Jungtalente wie Marlon Kittel oder Franz Dinda machen "Verdammte Sehnsucht" zu einem verdammt guten "Polizeiruf".

"Polizeiruf 110: Verdammte Sehnsucht", am Sonntag 20.15 Uhr, in der ARD