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Plattenfirma Buschfunk aus Berlin Plattenfirma Buschfunk aus Berlin: Erinnerung statt Ostalgie

Von Steffen Könau 05.12.2014, 07:55
Der Wittenberger Klaus Koch führt seit 25 Jahren die einzige ostdeutsche Plattenfirma.
Der Wittenberger Klaus Koch führt seit 25 Jahren die einzige ostdeutsche Plattenfirma. buschfunk.com Lizenz

Meißen/Berlin/MZ - Bis morgens um vier haben sie gesessen, der Schauspieler, der Plattenfirmenchef und der Musiker, Gespräche, Gespräch, vom hundertsten auf tausendste, Rotwein dazu. Rock’n’Roll eben, zelebriert nach einem Konzert von Axel Prahl in Meißen. Der Gitarrist Danny Dziuk ist Prahls musikalischer Direktor. Klaus Koch, der vollbärtige Dritte im Bunde, Chef der Plattenfirma Buschfunk, die vor drei Jahren mit Prahls Debütalbum „Blick aufs Mehr“ einen Überraschungserfolg landete.

Koch, in Wittenberg geboren, hat vorher gewusst, dass Prahls zeitweiser Wechsel auf die Konzertbühne Massen begeistern wird. „Ich habe ihn beim Jubiläumskonzert für den Liedermacher Gerhard Gundermann live als Sänger erlebt und sofort danach gesagt, Axel, wir müssen ein Album machen.“ Wenig später saß Koch in Prahls Küche und hörte sich ein paar Kompositionen des „Tatort“-Stars an. „Für die Umsetzung schien mir Danny Dziuk der richtige Partner zu sein.“ Auch der Duisburger Sänger und Songwriter ist bei Buschfunk unter Vertrag. „Heute sind er und Prahl die besten Freunde.“

Der 25. Geburtstag von Buschfunk ist Klaus Koch Grund genug, wieder zünftig zu feiern. Am Freitag nächster Woche steigt im Berliner Postbahnhof ein Jubiläumskonzert mit einer eigens zusammengestellten Bluesband.

Bei dem Konzert treten unter anderem auf: Pascal von Wroblewsky, Uschi Brüning, Ernst-Ludwig Petrowsky, Axel Prahl, Jürgen Kerth und Wolfram „Boddi Bodag. Erwartet werden zudem Überraschungsgäste, die spontan mitwirken werden. Kartenvorverkauf unter: www.konsum.buschfunk.com

So geht das bei Buschfunk auch 25 Jahre nach der Gründung der ersten unabhängigen Plattenfirma der DDR: Kurze Wege, Das Du als Brücke. So hat es sich Klaus Koch gewünscht, als er am 13. Dezember 1989 losstiefelt,  um  beim Ministerium der Kultur eine Lizenz für seine Firma zu beantragen.  Eine Antwort hat  der promovierte Kulturwissenschaftler nie bekommen. Aber das störte dann schon nicht mehr.

In den Büroräumen einer Reinigungsfirma legt das selbstironisch „Buschfunk“ genannte  Ein-Mann-Konkurrenzunternehmen zum  staatlichen Pop-Monopolisten Amiga los. Schaumgebremst, denn nach der Währungsunion „wollte kein Mensch mehr was aus dem Osten kaufen“,  erinnert sich Koch.

Wie Klaus Koch einmal fast Platz 1 in den Verkaufscharts erreicht hat, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Doch der heute 60-Jährige, zu DDR-Zeiten Chef des Leipziger Studentenclubs „Moritzbastei“,  glaubt an Künstler wie Gerhard Schöne, und Gerhard Gundermann. Er bringt ihre Platten heraus und begleitet sie auf Tour, er ist der Mann am Plattenverkaufsstand ganz hinten in den Konzerthallen. „Wenn er eine Idee gut findet, dann brennt er dafür“, sagt Conny Gundermann, die Witwe des früh verstorbenen singenden Baggerfahrers. Muss er, denn weil keine Bank Kredite für eine Schnapsidee wie von der eigenen Plattenfirma gibt, werden die Einnahmen stets dringend gebraucht, um offene Rechnungen bei den Presswerken zu bezahlen.

„Die ersten Jahre waren vom Gefühl geprägt, mit Freunden zu arbeiten“, erinnert sich Klaus Koch, „alle waren verunsichert und zusammen war man weniger allein mit seiner Unsicherheit“. Nach ein paar Jahren kehrte das Publikum zurück - und auf einmal standen auch Bands mit großen Namen vor der Tür. „Renft, die Puhdys, Bayon“, sagt  Koch, „mit denen habe ich als 16-Jähriger meine  ersten Konzerte veranstaltet.“ Die neuen Platten der alten Helden verkaufen sich wieder, die alten sowieso. Es geht dabei nicht um Ostalgie, glaubt Klaus Koch, sondern um Erinnerung. „Der Wert von Musik ist insgesamt dramatisch gefallen, aber der Wert von Musik, die sich mit bestimmten Lebensstationen verbindet, bleibt immer im Kopf.“

Vielleicht so begründet sich der Erfolg des Unternehmens „Ostrock in Klassik“, bei dem der Buschfunk-Chef Gruppen wie die Puhdys, Silly und Karat mit dem Filmorchester Babelsberg zusammenbringt. „Ich wollte alles im Leben einmal“, schmunzelt er heute noch, „und danach konnte ich den Punkt ,Goldene Schallplatte’ abhaken.“ Mit Platz 1 in den Verkaufscharts hätte es wenig später geklappt, als die Puhdys bei Buschfunk ihr Album „Abenteuer“ veröffentlichten. „Unglücklicherweise wurde genau in dieser Woche die Zählweise der Verkaufszahlen so geändert, dass auch Internet-Downloads mitgerechnet wurden.“ Koch aber hatte das Puhdys-Album gar nicht zum downloaden angeboten.

Wie sich der Absatz von CD bei Buschfunk entwickelt und was Koch von Downloads hält, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Der Wahlberliner kennt sein Publikum. Es ist älter als die Käufer von Musik, die im Formatradio oder im Fernsehen läuft. Und es hat immer noch gern etwas in der Hand, was es in einen CD-Player schieben kann. „Bei diesen gesichtslosen Dateien, die heute bei jüngeren Leuten zu tausenden auf den Computern liegen, verliert Musik jede Sinnlichkeit“, hat Klaus Koch auch  für sich selbst entschieden. Eine CD könne man aufklappen, das Heftchen lesen, sich erinnern, wo man sie gekauft hat. Wo andere Plattenfirmen über katastrophal zusammenbrechende CD-Absätze klagen, verzeichnet Buschfunk allmählich zurückgehende Absatzzahlen. „Die Vorlieben  unserer Stammkundschaft bremsen  den Trend da  spürbar.“ Der Buschfunk-Chef legt deshalb Wert darauf, wertige Ware anzubieten. „Drei von 40 Puhdys-Alben tragen den Namen als ausgetanztes Logo - es sind die drei, die wir gemacht haben.“

Den großen Plattenfirmen war das zu teuer, aber nach dem erfolgreichen Comeback der unverwüstlichen Ostrocker um Dieter „Maschine“ Birr standen sie natürlich  sofort auf der Matte. Klaus Koch, bekennender Fan und Sponsor des traditionsreichen Fußball-Zweitligisten Union Berlin, ist nicht böse darüber, dass ihm der Weltkonzern Universal seine besten Torschützen prompt abwarb. Im Gegenteil, er freut sich sogar: „Es war nämlich auch unheimlich anstrengend,  jeden zweiten Tag von Maschine angerufen zu werden.“ Außerdem, bleibt er im Fußball-Bild, spreche es doch immer für den kleineren Verein, wenn große Konkurrenten kommen und sich bedienen. „Dann hat man vieles richtig gemacht.“

Und falsch sowieso nur wenig. Der einst aus der Not geborene Ansatz, Künstlern nicht nur einen Plattenvertrag, sondern auch Unterstützung bei Konzerttourneen, der Rechteverwaltung,  der Produktion und beim Vertrieb zu geben, gilt in der Branche inzwischen weltweit als der Weisheit letzter Schluss. „Sie nennen es jetzt 360-Grad-Vermarktung“, amüsiert sich Klaus Koch, „in den USA wird das sogar an Universitäten gelehrt.“

Wie sich das Brettspiel „Überholen ohne einzuholen“ verkaufte und welche westdeutschen Künstler bei Buschfunk unter Vertrag sind, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Koch geht Probieren noch immer vor Studieren. So hat er damals auch das Brettspiel „Überholen ohne einzuholen“ ins Programm genommen, einfach weil er dachte, das könnte ein paar Leute interessieren. Der Ansturm danach war ein Orkan, Buschfunk kam mit den Lieferungen nicht nach. Auf seiner Liste der Sache, die er einmal erreicht haben will, konnte er danach auch „Anruf einer deutschlandweiten Discounterkette abwimmeln“ abstreichen. „Die wollten 50.000 Spiele, aber ich habe nein gesagt.“

Der Fußballfan Koch sieht Buschfunk heute als sehr guten Zweitligaverein, der immer oben mitspiele. Längst hat er nicht mehr nur ostdeutsche Künstler unter Vertrag, sondern er vertreibt auch die Werke von Leuten wie dem Hamburger Liedermacher Stefan Stoppok, dem US-Rocker Mitch Ryder und Deutschlands früh verstorbenem Rock-Idol Rio Reiser. „Wir haben eine gute Mannschaftsausstellung aus heimatverbundenen Spielern“, sagt Koch, „der Stamm ist seit Jahren zusammen und Neuzugänge wie Olaf Schubert und Axel Prahl verstärken uns noch.“

Wobei sich der große Mann mit dem graugewordenen Vollbart keine Illusionen um die langfristige Perspektive des Musikgeschäfts insgesamt und seines eigenen kleinen Stückes davon. „Wir sind ein Generationslabel“, sagt er, „wir sind mit einer Generation gekommen und mit der gehen wir auch.“ Er wolle das gar nicht anders, denn wenn er sich umschaue, sehe er ja „so viele, die für immer bleiben wollten und nun schon lange weg sind“. Klaus Koch ruht in sich, kurz vor der Weiterfahrt zum nächsten Prahl-Konzert. „Ich finde es einfach schön, wenn etwas Anfang und Ende hat.“

Liedermacher Gerhard Schöne.
Liedermacher Gerhard Schöne.
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Die Puhdys
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Sängerin und Schauspielerin Anna Loos und ihre Band Silly
Sängerin und Schauspielerin Anna Loos und ihre Band Silly
dpa Lizenz