Pierluigi Collina Pierluigi Collina: «Regeln des Spiels»

Hamburg/dpa. - Pierluigi Collina ist nicht irgendein Schiedsrichter, er ist der Star unter den Referees dieser Fußball- Welt. Und es gibt wohl keinen Fußball-Fan, der nicht irgendwann einmal ein Spiel beobachtet hat, dass unter der Leitung des Italieners mit dem markanten Glatzkopf stand. Denn Collina ist der Mann für die wichtigen und brisanten Spiele: Das denkwürdige WM- Finale im vergangenen Jahr zwischen Deutschland und Brasilien hat er gepfiffen, das Endspiel um die Champions League zwischen Bayern München und Manchester United stand 1999 unter seiner Regie - und, und, und.
Dass Collina überhaupt und ausgerechnet jetzt seine Memoiren veröffentlicht, ist nicht erstaunlich. Der 1960 geborene Italiener, auf dem Fußballplatz ein Selbstdarsteller mit großen Gesten und strenger Mimik, betreibt auch in seinem Werk in erster Linie Eigenwerbung. Und der Zeitpunkt könnte besser kaum gewählt sein. Denn noch ist er im Gespräch. Bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland darf er nicht mehr pfeifen, weil er dann die vom Weltverband FIFA vorgegebene Altersgrenze überschritten hat. Eine Vorschrift, die Collina als schreiende Ungerechtigkeit empfindet. «Erfahrene, bewährte Unparteiische auszusortieren, nur weil sie die 45 überschritten haben, schadet dem Fußball, denn so wird ein Gut verschleudert, das über viele Jahre hinweg angespart wurde», meint er.
«Meine Regeln des Spiels», lautet der Titel des Buches. Doch es wird nicht so richtig deutlich, was er damit meint. Deutlich aber wird, was Collina von sich hält. Er ist von sich überzeugt, fast grenzenlos. Viele Seiten widmet er seinen selbst empfundenen Stärken, selten spricht er von Schwächen. Er sieht sich selbst in der großen Show des Profi-Fußballs als Star unter Stars, der nichts von einer unauffälligen Spielleitung hält: «Ein Fußballspiel zu leiten bedeutet schließlich nicht "Versteckspielen".»
Etwas mehr Selbstkritik hätte dem Denkmal, das sich Collina setzen will, keine Kratzer zugefügt. Im Gegenteil: Es hätte den Mann, dessen Qualitäten als Schiedsrichter nie in Frage standen, etwas menschlicher erscheinen lassen.
Ansonsten erfährt der Leser viel über den Alltag eines Schiedsrichters, der zumindest in Collinas Welt wenig Aufregendes zu bieten hat. Er bereitet sich mit einer Akribie auf seine Aufgaben vor, die manchem Berufsfußballer gut zu Gesicht stehen würde; er trainiert ebenso professionell wie die Spieler; er kennt viele Flughäfen und Stadien, aber wenig Städte; er vermisst auf seinen unspektakulären Dienstreisen stets Frau und Töchter; und er geht am liebsten in Hotels, die italienisches Essen offerieren.
Der Fußball-Anhänger hätte sich von Collina weniger Gemeinplätze und mehr Schilderungen von Erlebnissen mit Spiel und Spielern gewünscht. Dies sind denn auch die interessantesten Passagen des Buches: Wie Collina die letzten Minuten im Champions-League-Finale zwischen Bayern München und Manchester United erlebte, wie er einmal unter Polizeischutz aus dem Stadion geführt werden musste, oder seine Strategie im WM-Finale 2002. Da hat er die Partie erst abgepfiffen, als der Ball ganz in seiner Nähe war, um sich das Spielgerät als Souvenier zu sichern. Übrigens: Jetzt weiß man auch, wo das Trikot von WM-Superstar Ronaldo geblieben ist.
Pierluigi Collina: Meine Regeln des Spiels Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 223, S., 17,90 Euro ISBN 3-455-09398-1