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Peter Stein wird 70 Peter Stein wird 70: Theater-Rebell und Liebhaber feiert Geburtstag

Von Wilfried Mommert 30.09.2007, 13:09
Der Theaterregisseur Peter Stein sitzt nach einer Pressekonferenz in Berlin im Haus der Berliner Festspiele in der Bestuhlung. (Foto: dpa)
Der Theaterregisseur Peter Stein sitzt nach einer Pressekonferenz in Berlin im Haus der Berliner Festspiele in der Bestuhlung. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Berlin/dpa. - Er war ein Rebell und ist ein leidenschaftlicherLiebhaber des Theaters geblieben: Peter Steins Name wird immer mitder Berliner Schaubühne verbunden bleiben, auch wenn er sie heutenicht mehr betreten mag. Der Theaterregisseur hat die Schaubühne amdamaligen Halleschen Ufer (und später Lehniner Platz) zu einer derGeburtsstätten des aufmüpfigen, zornigen und innovativen Theaters inDeutschland gemacht. Am diesem Montag wird der heute in Italienlebende, aber gegenwärtig wieder bei dem einstigen «Schaubühnen-Genossen» Claus Peymann (70) in Berlin arbeitende Regisseur 70 Jahrealt.

In seinen 15 Jahren seit 1970 hat Stein die Berliner Schaubühnesogar zu Weltruhm geführt mit Schauspielern wie Jutta Lampe, BrunoGanz, Edith Clever und Otto Sander. Claus Peymann nannte Stein einmalrespektvoll den «einzigen Weltmeister des Theaters». Auf jeden Fallgehört der am 1. Oktober 1937 in Berlin geborene Stein zu denProtagonisten der «Theaterrevolution» in der zweiten Hälfte desvergangenen Jahrhunderts.

Dabei bewies er, in bewusster Zusammenarbeit mit seinem vomMitbestimmungsgeist der «68er» erfüllten Ensemble einen ebensopsychologischen wie emotionalen Zugang zu Texten und Epochen. Erwidmete sich den Größen der Weltliteratur wie Aischylos undShakespeare, Ibsen («Peer Gynt»), Tschechow («Drei Schwestern»),Gorki («Sommergäste») und Kleist («Prinz von Homburg») ebenso wieAutoren der Gegenwart - etwa Botho Strauß («Trilogie desWiedersehens»). Vor allem die Begegnung mit Tschechow hat Stein tiefgeprägt. «Dort lernt der Schauspieler das Herz des Theaters kennen,es ist die höchste Prüfung für jeden Schauspieler.»

Peymann ermöglichte Stein in diesem Jahr mit dem Berliner Ensembledie Verwirklichung seines Traumes einer vollständigen, insgesamt zehnStunden dauernden Aufführung von Schillers «Wallenstein»-Trilogie aufdem Gelände einer ehemaligen Brauerei in Berlin-Neukölln. ImSeptember musste Stein dabei sogar für seinen verletztenHauptdarsteller Klaus Maria Brandauer vorübergehend einspringen (mitdem Textbuch in der Hand). «Ich bin kein Schauspieler, ich kann dasgar nicht», meinte der Regisseur, der aber sehr gekonnt monumentaleTheatertexte wie Goethes «Faust» und auch Schillers «Wallenstein»lesend vortragen kann.

Eine Gesamtaufführung der beiden Teile des «Faust» mit fast 27Stunden Aufführungsdauer brachte Stein zur Weltausstellung Expo 2000in Hannover heraus (was auf DVD für die Nachwelt festgehalten ist).Damit erfüllte er sich einen Lebenstraum, um den er zwölf Jahregerungen hatte - und den ihm ausgerechnet «seine» Schaubühne 1993verweigerte. Das nicht zuletzt durch Steins «antiautoritäre Schule»selbstbewusster gewordene Ensemble mit Nachfolgeregisseuren wieAndrea Breth empfand die Riesenproduktion als Blockade der eigenenEntfaltungsmöglichkeiten. Heute wird die Bühne von Thomas Ostermeierkünstlerisch geführt.

Wie man sich gegen Hierarchien auflehnt, hatte Stein in seinenTheater-Anfängen in Bremen und München Mitte der 60er Jahrevorgemacht. Und die 70er Jahre in Berlin blieben auch nicht ohneAnfeindungen vor allem vom konservativen politischen Lager, als inSteins Schaubühne rote Fahnen wehten (Mitstreiter Peymann ging baldnach Stuttgart, um sich dort Meriten und Ärger einzuhandeln). Von1991 an war Stein Schauspielchef der Salzburger Festspiele, wo er1997 wieder Abschied nahm, unter anderem mit einer als «triumphal»gefeierten Inszenierung der Oper «Wozzeck» von Albern Berg -Opernabstecher sind dem Theaterregisseur seit langem nicht mehrfremd.

Heute warnt Stein die neue, wilde Generation des Regietheaters,die wieder möglichst alles «gegen den Strich bürsten» oder auf denKopf stellen will: «Seid vorsichtig! Wenn das unkonventionelleTheater, das schönste was es gibt, zur Konvention wird, seid ihr ineiner Falle.» Wenn am Theater «jeder machen kann was er will, dannwird das deutsche Regietheater in der Welt immer mehr verlacht».Stein sieht «unprofessionelle Angsthasen» in deutschen Theatern amWerk. Dabei weiß er sehr genau, dass er zu jener rebellischenGeneration gehört, die diese Entwicklung am Theater einmallosgetreten hat, wie er in einem dpa-Gespräch einräumt.

Aber Stolz klingt immer noch mit, wenn er heute sagt: «Ich habemit der Schaubühne das einzige selbstbestimmte Theater in derGeschichte des deutschen Theaters geleitet». Gleich fügt er aber auchhinzu: «Dabei bin ich überhaupt kein Theaterleiter. Ich binKünstler.» Dennoch: «Ich habe von der Schaubühne unendlich vielgelernt.»