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Peter Hacks ist tot Peter Hacks ist tot: Kritiker sprachen vom «Klassiker in Lebzeiten»

29.08.2003, 11:21

Berlin/dpa. - Zuletzt blickte Peter Hacks ohne Zorn zurück. Mit der Veröffentlichung seiner Theaterstücke, Prosatexte, Gedichte und Essays in 50 Bänden hinterlasse er ein stattliches Lebenswerk, sagte der Dramatiker zu seinem 75. Geburtstag am 21. März dieses Jahres zufrieden. Noch mit «letzter Hand» hatte Hacks im vergangenen Sommer die Schriften aus einem halben Jahrhundert in seinem Landhaus bei Berlin für die Gesamtausgabe geordnet und penibel redigiert. Danach wollte er kein Stück mehr schreiben und nur noch sein Theaterwerk sprechen lassen. Der «Klassiker in Lebzeiten», wie ihn Kritiker oft nannten, ist am Donnerstag nach schwerer Krankheit in Berlin gestorben.

Allein 50 Stücke hat Hacks verfasst und ist damit zusammen mit Bertolt Brecht und Heiner Müller zu den bekanntesten ostdeutschen Theaterautoren geworden. Doch Hacks, der aus Begeisterung für den «real existierenden Sozialismus» 1955 nach dem Studium in München der Bundesrepublik den Rücken kehrte und sich in Ost-Berlin niederließ, widersetzte sich stets den Umarmungsversuchen des DDR-Regimes. Den Kommunismus - als letzte Hoffnung - beurteilte der promovierte Theaterwissenschaftler aus bürgerlichem Hause nicht aus der alltäglichen Erfahrung, sondern aus historischer Perspektive. «Der Kapitalismus hat doch nicht die geringste Überlebenshoffnung», sagte Hacks noch nach dem Mauerfall.

Der Anwaltssohn aus Breslau sah wie viele Intellektuelle der Nachkriegsjahre die DDR als «Heimat aller deutschen Schriftsteller». Schon früh erwies sich Hacks als gelehriger Brecht-Schüler und deutete die Geschichte in marxistischer Sicht um. Nachdem er in München mit seinem Kolumbus-Schauspiel «Eröffnung des indischen Zeitalters» 1954 einen Preis für junge Autoren erhielt, siedelte er ein Jahr später auf Brechts Einladung nach Ost-Berlin über. Als Dramaturg an Wolfgang Langhoffs Deutschem Theater gelingt ihm 1956 der Durchbruch mit seiner «Schlacht bei Lobositz».

Trotz des Erfolgs bleibt ihm der Krach mit der DDR-Bürokratie nicht erspart. Das Stück «Die Sorgen und die Macht», in dem Hacks die Widersprüche zwischen Eigennutz und den Geboten der Solidarität unter den Arbeitern darstellt, lösen 1963 Unmut bei den SED-Oberen aus. Hacks spiele die Alltagsrealität gegen eine sozialistische Utopie aus. Es fällt der Vorwurf, er sei ein «kommunistischen Snob». Hacks muss das Deutsche Theater verlassen, auch Intendant Langhoff legt aus Protest sein Amt nieder.

1965 verschwindet Hacks' Stück «Moritz Tassow» über die Kollektivierung der Landwirtschaft sehr bald aus den Spielplänen. Die Presse wirft ihm «mechanistische Dialektik» und «rüpelhafte Obszönität» vor. Im Westen, wo Hacks als Dissident wahrgenommen wird, avanciert er zum bekanntesten DDR-Dichter. «Das Jahrmarktsfest zu Plündersweilen» (1975) und sein berühmtestes Stück «Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenenden Herrn von Goethe» (1976) schaffen schnell den Weg in das Repertoire westdeutscher Bühnen. Nach der heftigen offiziellen Kritik an seinen Gegenwartsstücken wendet sich Hacks klassischen Stoffen zu. Er dichtet «Den Frieden» nach Aristophanes um und übertragt Shakespeare neu. Kinderbücher, Lyrik und Essays werden oft veröffentlicht.

Erst 1970 normalisiert sich Hacks' Verhältnis zum SED-Staat. Die Verständigung geht so weit, dass er 1976 öffentlich die Ausbürgerung Wolf Biermanns begrüßt. Auch nach dem Mauerfall bleibt Hacks sicher, «auf der richtigen Seite» zu stehen. Das Ende der DDR habe schon mit «dem Qualitätssturz von Ulbrich zu Honecker» begonnen. Trotz des Scheiterns bleibe ihm das «auffällige durchgehende Wohlgefühl» des Sozialismus erhalten. Doch «die schlimmsten Erwartungen, gar nicht mehr gespielt zu werden», treffen nicht ein. Auch nach der Wende wird Hacks auf Bühnen in Ost und West weiter gespielt.