Peter-Hacks-Biografie: "Bunte Pfau" der DDR-Literatur

Berlin - Der Name Peter Hacks war im geteilten Deutschland einmal in aller Munde.
Heute ist er etwas in Vergessenheit geraten, auch wenn er „Dauerbrenner” für die Bühne geschrieben hat wie den damaligen Sensationserfolg „Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe”, eines der meistgespielten Theaterstücke in Deutschland nach dem Krieg.
Populär wurde auch „Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern”. Hacks war für manche auch die „größte dramatische Begabung Deutschlands”, für andere auch ein bedeutender Lyriker und Essayist sowie namhafter Kinderbuchautor.
„Pointenreich, doppeldeutig und ohne Scheu vor Kalauern”, hieß es in Kritiken über seine Stücke („Neue Zürcher Zeitung”). Aber „wo der Name Heiner Müller bei den Theaterinteressierten der jungen Generation noch immer einen Klang hat, ist der andere große DDR-Dramatiker vielen nicht einmal mehr namentlich ein Begriff”, heißt es in der jetzt erschienenen Peter-Hacks-Biografie von Ronald Weber, die dem Schöngeist, „kratzbürstigen” DDR-Anhänger, Dandy und „bunten Pfau” in der DDR-Literaturlandschaft und Kulturpolitik gewidmet ist.
Das Ergebnis einer immensen Recherchearbeit ist eine über 600 Seiten starke und lesenswerte Erinnerungsarbeit mit zahlreichen Zeitzeugenaussagen und zum Teil bisher unbekannten Archivdokumenten über wichtige Jahre der DDR-Kultur mit all ihren Widersprüchen, die Hacks auch verkörpert. Es ist die wohl bisher fundierteste biografische Arbeit über Hacks, mit der die Leser auch noch einmal in eine versunkene Welt eintauchen, die zur deutschen Kulturgeschichte gehört.
Westliche Urteile über Hacks schwankten zwischen „Wirrkopf” und „brillanter Intellektueller”. Jens Bisky nannte ihn in seinem Nachruf 2003 (in der „Süddeutschen Zeitung”) den „Unbekanntesten unter den Prominenten des Literaturbetriebs”, die FAZ würdigte ihn postum als den „witzigsten und intelligentesten Schüler Brechts”.
Der „sozialistische Boulevardkomödienschreiber” (wie ihn ein Literaturwissenschaftler nannte), der den Berliner Mauerbau von 1961 wie viele andere DDR-Künstler begrüßte und auch die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann 1976 (im Gegensatz zu anderen bedeutenden Künstlern) beklatschte, geriet Anfang der 60er Jahre mit seinem Stück „Die Sorgen und die Macht” selbst in die Mühlen der bornierten SED-Kulturpolitik. Hacks hat den Arbeitsalltag in den Betrieben mit seinen Widersprüchen zwischen Planerfüllung und Einzelinteressen zu realistisch dargestellt.
Realismus war in der DDR aber immer nur dann gelitten, wenn er einen optimistischen Grundtenor und Ausblick in die „schöne neue Welt” hatte. Dabei hatte Hacks die Schwächen der sogenannten Produktionsstücke genau erkannt, die Dramatik war ihm schlicht zu unkünstlerisch, weil sie keine wirklichen Konflikte schilderten. Hauptsache, der vom rechten Weg abgekommene Held wird zur Einsicht geführt, so dass „einer am Ende ein guter Sozialist ist und kein Mensch mehr”, wie Hacks in der Biografie zitiert wird.
Damit wurde auch der Westen auf Hacks aufmerksam. Der Autor legte sich gerne mit jedem an, ob Politik, Theaterintendant, Kollegen und Verleger. Gleichzeitig scheint er auch das Klischee vom „Salonkommunisten”, also eines Intellektuellen, der mit den kommunistischen Ideen sympathisiert, ohne Parteimitglied zu sein und ohne dabei auf die Konsum-Annehmlichkeiten des Westens verzichten zu wollen. Dazu gehörten auch seine geräumige Wohnung in der Schönhauser Allee im Prenzlauer Berg voller kostbarer Antiquitäten und sein Landsitz. Er wolle gerne zur Revolution beitragen, wie Hacks einmal sagte, aber sie, „wenn es sich vermeiden lässt, nicht erleben”. Er verteidigt den Stalinismus und ist sich bewusst, wie der Biografie Ronald Weber anmerkt, „dass er im Zweifelsfall unter Stalin nicht lange gelebt hätte”.
Der in Breslau geborene Hacks bleibt in der DDR verdächtig - und wird als „sozialistischer Klassiker” mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet. Die Akademie der Künste der DDR ist sein Podium für kulturpolitische und ästhetische Debatten. Die Politik könne den philosophischen Rahmen der Gesellschaft, hier ist es also der Marxismus, setzen, dürfe sich aber nicht direkt in künstlerischen Fragen einmischen, was in der DDR aber tägliche Praxis war (bis hinauf zum SED-Politbüro).
Hacks steht aber treu bis zuletzt zum DDR-Staatssystem und glaubt sogar noch im Dezember 1988, der „Arbeiter- und Bauernstaat” sei „endgültig übern Berg” und werde gar eine Renaissance erleben. Der „Salonkommunist” und sonst so scharfe Beobachter und Analytiker wird weltfremd. Die Bürgerrechtler und Demonstranten im Herbst 1989 sind für Hacks Konterrevolutionäre und „Lumpenkleinbürgertum, also Bohème”, denen man ja laut Parteichef Erich Honecker „keine Tränen nachweinen” sollte. Es sei merkwürdig, „wie sich der sonst so nüchtern die Verhältnisse Beobachtende die Realität zurechtbiegt” und Verschwörungstheorien betreibe, wie sein Biograf meint.
Die Versorgung mit Konsumgütern in seiner Wohnung in der Schönhauser Allee war auch dank der regelmäßigen Pakete seiner im Westen lebenden Mutter und der für den prominenten DDR-Dichter immer offenen Grenze stets gewährleistet. Dem „Imperialismus” aber sei es gelungen, „den Leuten alle Kriterien für recht und unrecht, wahr und falsch, schön und hässlich aus den Hirnen zu waschen”, meinte Hacks, der beim Frühstück ausführlich das SED-Zentralorgan „Neues Deutschland” mit seinem offiziellen Verlautbarungsjournalismus studierte.
Das war die Welt von Peter Hacks, auch wenn er immer wieder den Stachel löckte und er ebenfalls ins Visier der „Parteilinie” geriet. Und als diese Welt unterging, dann lebte der Dramatiker, wie er 2003 sagte, eben „zur Zeit in einer Epoche, die Kultur ablehnt”. Im gleichen Jahr (am 28. August, dem Geburtstag Goethes) stirbt Peter Hacks im Alter von 75 Jahren und wird auf dem Französischen Friedhof in Berlin-Mitte beigesetzt, in der unmittelbaren Nähe von Emilie und Theodor Fontane.
Dass sein Name immer mit Goethe verbunden bleiben wird, hat er mit seinem noch immer gespielten „Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe” zu verdanken. Und bis zuletzt arbeitete Hacks an seiner 15-bändigen Werkausgabe, die im Berliner Eulenspiegel Verlag erschienen ist. Und wer eine Ausgabe seiner gesammelten Werke hinterlässt, ist ein Klassiker, war die Ansicht von Peter Hacks.
- Ronald Weber: Peter Hacks - Leben und Werk. Eulenspiegel Verlag, Berlin, 608 Seiten, 39,00 Euro, ISBN 978-3-359-01371-6. (dpa)