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Melodien für Millionen Peter Gotthardt: Komponist von "Paul und Paula" mit Ehrenpreis auf Filmmusiktagen

Von Kai Agthe 25.10.2018, 09:25
Winfried Glatzeder als Paul im Film „Die Legende von Paul und Paula“
Winfried Glatzeder als Paul im Film „Die Legende von Paul und Paula“ dpa

Halle (Saale) - Die Musik für den Film „Die Legende von Paul und Paula“ sei eher ein Zufallstreffer gewesen, sagt Peter Gotthardt bescheiden.

Der 77 Jahre alte Komponist hat für Heiner Carows Film, der 1973 mit Angelica Domröse und Winfried Glatzeder in den Hauptrollen in die DDR-Kinos kam und heute ein Kultstreifen im Osten Deutschlands ist, jene beiden Lieder geschrieben, die ihrerseits Klassiker geworden sind, aber stets nur mit den Puhdys verbunden werden: Die Band um Dieter „Maschine“ Birr hat die Songs „Geh zu ihr“ und „Wenn ein Mensch lebt“ zwar interpretiert, die Texte aber stammen von dem Schriftsteller Ulrich Plenzdorf (1934-2007) und die Musik - eben - von Peter Gotthardt.

Für ihn sei diese Filmmusik also Fluch und Segen zugleich.

Peter Gotthard blickt mit gemischten Gefühlen auf die Filmmusik von heute

Auch, aber nicht nur für diese Kompositionen wird Gotthardt am Freitag mit dem Ehrenpreis der Filmmusiktage Sachsen-Anhalt in Halle geehrt.

Was bedeutet ihm dieser Preis? „Ich nehme ihn, ehrlich gesagt, mit gemischten Gefühlen entgegen“, sagt der Komponist. Aus einem einfachen Grund: „Ich bin aus dem Filmgeschäft raus.“

Das, was dem Zuschauer heute als Filmmusik angeboten werde, sei nicht mehr die seine. Es greife in der Branche immer mehr Dilettantismus um sich, der Komponisten alter Schule verschrecke. „Meine Kritik am Zustand der heutigen Filmmusik werde er auch in meiner Dankesrede thematisieren“, sagt Gotthardt bestimmt, aber ohne Zorn und Eifer.

Er sei deshalb wieder zu seinen Anfängen zurückgekehrt: zur Klassik. Momentan arbeite er an mehreren Orchester- und kammermusikalischen Werken. So werde etwa im kommenden Sommer im brandenburgischen Kloster Chorin „Die Glocke Gottes“ aufgeführt werden, eine Komposition für Chor und Klavier.

Ganz vom Film habe sich der Komponist aber dennoch nicht verabschiedet: Quasi als Auftrag in eigener Sache arbeite er gerade an einer Musik für Sopran, Chor und Orchester, zu der ihn Alfred Hitchcocks Frühwerk „Der Mieter“ aus dem Jahr 1927 inspiriert habe, so Gotthardt.

Und dennoch: Sein Name wird sicher vor allem mit „Die Legende von Paul und Paula“ verknüpft bleiben. „Die Musik für ,Paul und Paula‘ ist meine populärste Filmmusik, aber nicht meine beste“, erklärt Gotthardt entschieden.

Sein persönlicher Favorit unter den mehr als 500 Kompositionen, die er in einem halben Jahrhundert geschrieben habe, sei die Musik für den 1977 für das DDR-Fernsehen gedrehten Spielfilm „Die Verführbaren“ nach dem Roman „Ein ernstes Leben“ von Heinrich Mann. Doch den Streifen, der in den Tiefen der Archive verschwunden ist, kenne heute niemand mehr.

Filmmusikalisches Testament von Peter Gotthardt

Um sein Lebenswerk für die Nachwelt zu dokumentieren, habe er beschlossen, sein „filmmusikalisches Testament“ vorzulegen: Auf bislang sechs CDs hat Gotthardt eine Auswahl seiner thematisch geordneten Filmmusiken ediert. Im kommenden Jahr werde ein siebtes Album folgen, dann wolle er alle Tonträger in einer Box veröffentlichen.

Wenn Peter Gotthardt erzählt, hört man ihm nicht an, dass er im Jahr 1941 in Leipzig geboren wurde, also ein waschechter Sachse ist. Im Gegenteil: Der Komponist verfällt ins Berlinern, wenn er diese Episode und jene Anekdote aus seinem Leben berichtet. „Ich kann aber auch anders“, erklärt er, auf den fehlenden sächsischen Dialekt angesprochen, und gibt eine Kostprobe seines Könnens.

Zur Filmmusik kam Gotthardt im Jahr 1965. Damals studierte der Mittzwanziger noch die Fächer Klavier, Dirigieren und Komponieren an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Ost-Berlin. Fasziniert von den Bach-Interpretationen des französischen Jazzmusikers Jacques Loussier („Play Bach“) komponierte der junge Gotthardt ein Präludium und eine Fuge.

Die gefielen einem seiner Lehrer so, dass er dem Regisseur Winfried Junge (83) seinen talentierten Studenten empfahl - und noch im selben Jahr war Musik aus Gotthardts Feder in drei Dokumentationen Junges zu hören. Später sei vor allem die Zusammenarbeit mit Heiner Carow (1929-1997) ein Geschenk gewesen, sagt Gotthardt rückblickend.

Wie habe man sich sein kompositorisches Handwerk vorzustellen? „Da ich in der DDR vier Jahre wohnungslos gewesen bin, deshalb zunächst im Auto und später in einer besetzten Wohnung gelebt habe, habe ich mir damals antrainiert, beim Komponieren ohne ein Klavier auszukommen“, so Gotthardt.

Orchesterwerke entstehen bei ihm bis heute auf Notenpapier am Tisch. „Aber für die Komposition von Chansons brauche ich schon ein Klavier.“ Damals, als er ohne Genehmigung in eine leerstehende Wohnung einzog, habe er an eine Wand die Selbstermahnung geschrieben: „Jammern ist kein Programm“. Das sei, sagt Peter Gotthardt, bis auf den heutigen Tag sein Motto geblieben. (mz)