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Patti Smith Patti Smith: Die Patin des Punk wird 60 Jahre alt

Von Gisela Ostwald 29.12.2006, 07:13
Patti Smith, die «Patin des Punk», feiert am 30. Dezember 2006 ihren 60. Geburtstag. (Foto: dpa)
Patti Smith, die «Patin des Punk», feiert am 30. Dezember 2006 ihren 60. Geburtstag. (Foto: dpa) ANSA

New York/dpa. - Dort trug sie ihren «Rock-and-Roll Nigger» vor, mit dem Refrain, der mehr über sie aussagt als jedes ihrer Prosa-Gedichte: «Outside of society/That's where I wanna be.» (Außerhalb der Gesellschaft ist der Platz, den ich einnehmen will.)

Smith, die zierliche Amerikanerin mit den vielen Talenten, begeht an diesem Samstag (30. Dezember) ihren 60-jährigen Geburtstag. Sie wird auch in Deutschland als Rocksängerin und Songwriter, als Dichterin, Schriftstellerin und Künstlerin gefeiert. «Ich verstehe mich als Arbeiterin», sagte sie in einem Interview der «Süddeutschen Zeitung», und zwar in der Verpflichtung jeder Sache gegenüber, ob ich auftrete, fotografiere, aufnehme oder male.»

Bei der Ruhrtriennale 2005 erwies sie sich als Romantikerin, diein Begleitung ihrer Band auf die eigene Biografie und die Geschichtedes Rock'n'Roll anspielte. So präsentierte sie dem Bochumer Publikumzum Song «Ain't it Strange» vom Album «Radio Ethiopia» (1976) einenihrer berühmten Veitstänze. Beim Literaturprogramm am anderen Tag lassie Gedichte von William Blake und Arthur Rimbaud und trug ihrliebstes Kinderlied nach einem Motiv von Hans Christian Andersen vor.

Ihr Debüt-Album «Horses» aus dem Jahr 1975 war wegen seinerpoetischen Texte und der grobschlächtigen Gitarrentechnik beiKritikern sensationell eingeschlagen. Zu diesem Zeitpunkt war Smithin New York jedoch längst bekannt. «Horses» folgten neun weitereAlben, das letzte, «Horses Horses» 2005. Das Fachmagazin «RollingStone» räumte Smith auf seiner jüngsten Liste der «100 größtenKünstler aller Zeiten» Rang 47 ein. Obwohl Smith in ihrer langenKarriere nur einen einzigen Superhit produzierte - «Because theNight» aus dem Jahr 1978 und mitkomponiert von Bruce Springsteen -hat sie hunderte von Rock-Bands maßgeblich beeinflusst.

In Chicago geboren und in New Jersey aufgewachsen, musste Pattischon mit 16 die Schule hinter sich lassen und in einer Fabrikarbeiten. Nach einem abgebrochenen Pädagogikstudium und einem Baby,das sie zur Adoption freigab, fand sie unter Intellektuellen undMusikern in New York endlich fruchtbaren Boden. Von ihren Albenbrachte ihr «Easter» (1978) den größten kommerziellen Erfolg. In den1980ern folgte Smith ihrem Mann Fred «Sonic» Smith, dem früherenGitarristen der Rockband MC5, nach Detroit, hatte zwei Kinder mit ihmund produzierte «Dream of Life», ein weniger vom Punk als Mainstreamgeprägtes Album.

Fred erlag 1994 einem Herzinfarkt. Wenige Monate später starb auchPattis Bruder Todd an einem Schlaganfall. Todd war es gewesen, dersie nach dem Tod ihres Mannes gedrängt hatte, wieder öffentlichaufzutreten. Smith folgte seinem Rat. Sie ging mit Bob Dylan aufTour, trat auch mit Bruce Springsteen auf und nahm nach eineinhalbJahrzehnten als «Hausfrau und Mutter» im klassischen Sinn das neueAlbum «Gone Again» auf. Ihre Fans waren begeistert.

Düstere Walzer sind auf der Platte zu hören, Madrigale, Elegienund Rock-Balladen. Smith besingt nicht nur ihre toten engstenAngehörigen, sondern auch ehemalige Geliebte und Freunde wie den zuLebzeiten stets skandalumwitterten Fotografen Robert Mapplethorpe,der 1989 an Aids starb. Die Tragödien in ihrem Leben und die Art, wieSmith sie überwindet, lassen sie im Ansehen ihres Publikums nochhöher über sich hinauswachsen, machen sie zu einer Art Idol.

Provozierend steht sie heute wie damals auf den Bühnen. Sie willnicht nur wie viele der von ihr beeinflussten Bands, Wut und Kritikan der glatten Gesellschaft und an ihrem Publikum loswerden. Sie gibtregelrechte Ratschläge, in denen sich subversive Argumente mitmütterlichen Ermunterungen und dem Zorn der Jugend mischen: «Do youlike the world around you? Then change it.»