Otto Möhwald Otto Möhwald: Die Magie der Dinge
Halle (Saale)/MZ. - Der Hallesche Kunstpreis ist für die Stadt Halle angenehm haushaltsneutral. Er wird ja nicht dotiert, und viel geistigen Aufwand kostet er die Kulturverwaltung und den beteiligten Halleschen Kunstverein anscheinend auch nicht. Mit Willi Sitte und Uwe Pfeiffer konnte man sogar Träger des Vor-Wende "Kunstpreises der Stadt Halle" recyceln. Immerhin, da Otto Möhwald im Januar 80 Jahre alt wird, macht man ihm nebst der Auszeichnung, die ihm am Donnerstag verliehen wird, auch das Geschenk einer Ausstellung im Stadtmuseum.
Rein zufällig ergibt sich dadurch die Gelegenheit, die Preisträger-Kollegen Sitte und Möhwald ortsnah in verschiedenen Ausstellungen zu vergleichen. Verschieden, aber doch aus einer Hand, kuratiert vom Kunstvereinsvorsitzenden Hans-Georg Sehrt. Wohl eher ungewollt, lässt er so zwischen dem Staatskünstler in der Kunsthalle Villa Kobe und dem Einzelgänger im Christian-Wolff-Haus die Pole aufscheinen, die in ein und derselben Malergeneration unter denselben zeithistorischen Bedingungen denkbar abgründige Gegensätze kennzeichnen.
Da ist Möhwald, der in Kunst wie im Leben die Askese sucht, seit 55 Jahren in der Atelierwohnung in Halle wohnt, die zugleich eines der Bildthemen abgibt, welche wiederummit Interieur, Akt sowie Stadt- und Straßenlandschaft bereits vollständig aufgezählt sind. Wer ihm begegnet, lernt einen Menschen von leisen Worten und bedächtigem Gebaren kennen, in Aura das Pendant zur Atmosphäre in seinen Bildern und Grafiken, die stets als ruhig, dicht und still beschrieben werden.
Die strikt begrenzte Palette von Grau, Blau, Braun fächert sich zu erstaunlicher tonaler Vielfalt auf. Dem Koloristen Möhwald steht der Bildkomponist zur Seite, der in den Ziegelmauern alter Häuser, den engen Fluren und den liegenden und sitzenden Akten keine Geschichten erzählt, sondern das Erdverbundene und das Tektonische erkundet. Es ist die "Magie des Gegenstands", die ihn im Bann hält, wie Möhwald selbst es in einem erhellenden Gespräch mit Moritzburg-Direktorin Katja Schneider geäußert hat, im Katalog der Ausstellung von 1998.
Darin erklärt er etwa, warum das Stillleben, was nahe liegend wäre, zu seinem Bildkanon nicht dazu gehören kann: Weil sich der Vergleich mit Giorgio Morandi aufdrängt, der zeitlebens in stoischer Selbstbeschränkung der Form von Krügen und Flaschen nachging. Für Möhwald ist es die Stadt alter Prägung, sind es die Häuser im Verfall, die menschenleeren Straßen, die ihn nicht loslassen. "Plattenbauten waren für mich unmalbar", doch im halleschen Giebichensteinviertel hat er, der Heimatvertriebene aus dem böhmischen Erzgebirge, sein ganzes künstlerisches Dasein gefunden.
So sesshaft sein Leben, so über-lokal sein Werk. Halles Stadtbild mag Motiv sein, aber nicht im Sinne von Postkartenansichten. Möhwalds Malerei umfasst eine visuelle Kultur, die von der halleschen Schule der 50er-Jahre ausgeht, als er Herbert Kitzel nahe stand und Herbert Bachmann bewundert, die Cezanne verarbeitet und bis zum mystisch durchdrungenen Farbfeldmaler Mark Rothko reicht, bei dem ihn das "starke meditative Element" interessiert.
Menschen kommen bei Möhwald außer in den Akten fast nicht vor. Dennoch liegt in seiner Malerei eine gesellschaftliche Beobachtungsgabe, die im Statischen sowohl den Stillstand als auch die Veränderung wahrnimmt. Die DDR ist in ihrer Atmosphäre kaum irgendwo so wahr geschildert wie in seinen spröden Bildern. Möhwald hat ein Lebensgefühl auf seinen Wesenskern reduziert. Das Ausbleiben eines Bruchs in seiner Malerei nach der Wende ist nur konsequent, denn damit registriert er das Überleben dieser Atmosphäre und ihr Entschwinden, indem Veränderungen wie Fremdkörper eindringen: Wahlplakate an Litfasssäulen, parkende Autokolonnen am Straßenrand, und plötzlich der Akt auf der Brandmauer, ein Kommentar zur neuen erotisierten Bildwelt im Licht seiner eigenen strengen Bildgesetze. "Ich habe nicht die Ambition, mich einmischen zu wollen": Dieses Credo, gleichfalls 1998 ausgesprochen, gehört untrennbar zu dem Maler Möhwald, der auf seinen Atelierbildern seineLeinwände zur Wand gedreht zeigt. Hier wird dem Publikum nichts angedient. Ein paar Straßen weiter hat Willi Sitte all die Jahre im gegenteiligen Modus gemalt: Laut, farbstrotzend, politisiert; in seiner Botschaft engagiert, im Reflexionsgrad trivial. Die Akte bringen das unterschiedliche Menschenbild auf den Punkt - kühl, verstandesgemäß hier, lüstern-glitschig da. Otto Möhwald braucht freilich keine Vergleiche, und auch kein eigenes Museum. Sein Werk wird den aufmerksamen Betrachter immer finden.
Die Preisverleihung findet am Donnerstag um 18 Uhr im Stadthaus am Markt in Halle statt. Die Laudatio hält Möhwalds Enkel, der Schriftsteller Clemens Meyer. Anschließend Eröffnung der Ausstellung im Stadtmuseum. Bis 8. Januar: Di-So 10-17 Uhr.