Otto Mellies Otto Mellies: «Mir liefen die Tränen übers Gesicht»

Berlin/dapd. - Bei der Aufnahmeprüfung für die Schauspielschulegab er den Ferdinand aus Schillers "Kabale und Liebe". Es war derMonolog, den Ferdinand spricht, "bevor er Luise und sich mit derberühmten Limonade vergiftet", erinnert sich der Schauspieler OttoMellies an jenen "schönen Sommermorgen des Jahres 1947". Der79-jährige Mime war am Sonntag in eigener Sache zu Gast im DeutschenTheater in Berlin, wo er mehr als 50 Jahre auf der Bühne stand.Diese Bretter, "von denen behauptet wird, dass sie die Weltbedeuten", hätten "sein Leben mehr als alles andere geprägt, was mirje begegnet ist", liest er aus seiner soeben im Verlag das NeueBerlin erschienenen Autobiografie "An einem schönenSommermorgen...".
"Mir liefen die Tränen übers Gesicht, so musste ich mich in dieRolle hineinversetzt haben. Ich war von mir selbst ergriffen." DieLeiterin der Schauspielschule, Lucie Höflich, fand "das Bübchen süß"und nahm Mellies auf. Damit stellte die damals sehr bekannte Bühnen-und Filmschauspielerin "diese einzige, entscheidende Weiche" fürsein ganzes, langes Leben. Damals war Otto Mellies 16. Die Rolle desFerdinands hat ihn übrigens seine gesamte Bühnenkarriere begleitet:Er hat sie in drei Inszenierungen gespielt - in Schwerin, Rostockund dann auch in dem "hochberühmten Haus" in Berlin.
Mellies macht ein Stück großer Theatergeschichte lebendig
Wenn Mellies über die Arbeit mit namhaften Regisseuren undSchauspielerkollegen erzählt, wird ein Stück großerTheatergeschichte lebendig. Während der Jahre am Deutschen Theatererlebte der Charakterdarsteller nicht weniger als acht Intendanten.Als Nathan stand er in 18 Jahren 325 Mal auf der Bühne. Er spieltein Stücken von Shakespeare, Ibsen, Shaw, Strindberg und unterRegisseuren wie Wolfgang Langhoff, Friedo Solter, Alexander Lang undThomas Langhoff. Für eine lange Zeit sei er im Spielplan zugleich inzwölf verschiedenen Inszenierungen beschäftigt gewesen, schreibt er.
Mellies stand nicht nur auf der Bühne, sondern häufig auch vorder Kamera - etwa in der Literaturverfilmung "Kabale und Liebe". Mitder fünfteiligen Fernsehserie "Dr. Schlüter" wurde er in den 60erJahren "beim großen Publikum quasi über Nacht bekannt und beliebtwie ein bunter Hund". Bei der DEFA wirkte er in zahlreichenKinofilmen mit. Er habe gern beim Film gearbeitet, doch sei er"zuerst immer Theaterschauspieler gewesen", schreibt er.
Eine Liebesbeziehung zu Margot Honecker hatte er nicht
Mellies blickt in seinen Memoiren nicht chronologisch auf seinLeben zurück. Er konzentriert sich auf das, was ihm wichtig ist,erzählt unterhaltsam viele heitere Anekdoten. Doch manchmal wird erauch sehr ernst - etwa wenn es um seine traumatischen Erlebnissebeim Einmarsch der Roten Armee 1945 in Stolp (im heutigen Polen)geht oder um seine politische Sicht auf die DDR. Er hat die kleineredeutsche Republik von Anfang bis Ende erlebt und das "nicht alsWiderstandskämpfer - von denen es nach 1989 plötzlich so viele gab",wie er schreibt.
"Noch einmal von vorne anfangen und alles besser machen? - Nein,nein, alles war so schon irgendwie ganz gut", resümiert Mellies.Vorher schafft er noch ein Gerücht aus der Welt: Nein, er hattekeine Liebesbeziehung zu Margot Honecker. "Spekulationen dieser Art"hätten sowohl für ihn als auch für seine Frau Luise, mit der er seitüber 60 Jahren verheiratet ist, "einen langen Bart, der unter derHand schon ziemlich grau geworden ist".
Das Verzeichnis der von Mellies gespielten Theater-, Film- undFernsehrollen in seinem Buch umfasst neun Seiten. Darin nichtenthalten sind "aus Gründen eines rahmensprengenden Umfangs" seineRollen als Synchronsprecher sowie seine zahlreichen Rundfunk- undHörbuchlesungen.
Otto Mellies, An einem schönen Sommermorgen..., Erinnerungen, 256Seiten, Verlag Das neue Berlin, ISBN 978-3-360-01997-4