Ostrock Ostrock: Ein Kessel Barockes
ERFURT/MZ. - "Worte, Worte wärmen nicht", weiß der Mann, den sie Maschine nennen, "wenn man in den Wind sie spricht".
Davon kann hier allerdings keine Rede sein. Wie die Premiere des Unternehmens "Ostrock in Klassik" verbreitet auch die geradezu stylish "Volume II" genannte Fortsetzung heimelige Kuschelwärme. Alle sind sie diesmal gekommen, die größten Bands und berühmtesten Namen aus drei Jahrzehnten Ostrock. Neben den Puhdys stehen Karat und City komplett auf der Bühne, den drei Giganten-Combos der DDR assistieren IC Falkenberg von Stern Meißen, Thomas Schoppe von Renft, Dirk Zöllner, Veronika Fischer, Werther Lohse von Lift, Filmmusik-Legende Günther Fischer und Mike Kilian von Rockhaus. Abgemischt wurde das Werk von Rainer Oleak. einst Gründer von Neumis Rock Circus und seit dem Mauerfall ein gefragter Filmkomponist und Produzent.
Erneut begleitet vom Deutschen Filmorchester Babelsberg unter Enrique Ugarte, bedient sich das Staraufgebot vor allem am Süßigkeitenregal des DDR-Rock. Vom Gassenhauer "Wenn ein Mensch lebt" über das gedankenschwere "Am Fenster" bis zum Titelsong aus "Solo Sunny" sind es zumeist bekannte Balladen, die anders arrangiert und orchestral aufpoliert neu erstrahlen. "Die Kult-Songs wurden nicht weichgespült, sondern mit Respekt um die Chancen eines professionellen Orchesters erweitert", findet Klaus Koch, der als Chef des Plattenlabels Buschfunk vor drei Jahren die Idee für das Unternehmen "Ostrock in Klassik" hatte.
Daraus geworden ist nicht nur eine vielverkaufte CD und DVD, sondern eine Konzertreihe, die Zehntausende neu für die alten Hits begeistert. Auch, weil die bekannten Melodien hier ein klein wenig anders interpretiert werden, als sie das Publikum aus den alten Zeiten im Hinterkopf hat: Citys "z. B. Susann" beginnt wie "Heroes" von David Bowie, "Alt wie ein Baum" ist mehr denn je "39" von Queen und der "König der Welt" von Karat, von Herbert Dreilichs Sohn Claudius gesungen, hat die Wucht einer Wagner-Oper.
Ganz vorsichtig etwa modernisiert Werther Lohse die alte Lift-Nummer "Wasser und Wein". Zum Klavier erklingen ein paar behutsame Bläser, auch die Streicher halten sich zurück. Mike Kilian hingegen, als Sänger der eher zur jüngeren Generation des Ostrock gehörenden Band Rockhaus vom Punk beeinflusst, macht aus dem Renft-Klassiker "Der Apfeltraum" ein beinahe komplett neues Lied. Ursprünglich von Peter "Cäsar" Gläser dunkel geraunt, wird das Stück hier zu einem vom Akkordeon angetriebenen Stück Mittelmeer-Folk mit Radiohead-Vibrato.
Es sind dies die stärksten Momente des Albums: Wenn die drei Bands, unterstützt von 14 weiteren Musikern, nicht einfach nur einen Kessel Barockes aufkochen, sondern die legendären Nummern auf links drehen und im Inneren nachschauen, was sie heute noch erzählen können. Das gelingt manchmal weniger, wie bei dem von Ute Freudenberg und Claudius Dreilich mit viel plakativem Pathos gesungenen "Es gibt für mich kein fremdes Leid", manchmal klappt es besser wie bei Thomas Schoppes altersweiser Version des Renft-Werkes "Als ich wie ein Vogel war".
So dreht sich alles weiter, bis es nach 77 Minuten endet, wo es angefangen hat. Drei Minuten nach dem Schluss des von Rainer Oleak eigens komponierten Rausschmeißers "Im Morgenrot" geht es unangekündigt noch einmal "Über sieben Brücken": Mitte Oktober zieht der Ostrock-Klassik-Troß damit sogar wieder nach München.
Ostrock in Klassik mit Orchester live: 19.09. Erfurt, 20.09. Leipzig, 26.09. Magdeburg, 09.10. Zwickau, 10.10. München, 7.11. Chemnitz