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Oscar Oscar: «Baader Meinhof Komplex» für Hollywood

16.09.2008, 14:18

München/dpa. - Dabei bekamen die Journalisten ein packendes Polit-Drama zu sehen. Der Film von Produzent Bernd Eichinger und Regisseur Uli Edel ist rasant geschnitten und überzeugt vor allem mit hervorragenden Schauspielern: Moritz Bleibtreu als jähzorniger Andreas Baader, Martina Gedeck als intellektuelle und zweifelnde Ulrike Meinhof, Nadja Uhl als eiskalt mordende Brigitte Mohnhaupt, Bruno Ganz als unermüdlicher Terroristenjäger Horst Herold und vor allem Johanna Wokalek, die einen als Gudrun Ensslin glauben lässt, dass sie für ihre Ziele bis zum Äußersten gehen würde. Am 25. September kommt der Film nach dem Buch des langjährigen «Spiegel»-Chefs Stefan Aust ins Kino.

In den vergangenen Tagen hatte der Film bereits mehrfach von sich reden gemacht. Erst am Wochenende hatte Edel in einem «Focus»-Interview erklärt, dass ihm Ex-Terroristen verraten hätten, wer den entführten Arbeitgeber-Präsidenten Hanns Martin Schleyer im Oktober 1977 erschossen habe. Die Bundesanwaltschaft schweigt dazu, versuchen die Ermittler doch bis heute, eine der letzten noch ungeklärten Fragen um die RAF-Verbrechen zu klären.

Heftige Kritik übte der Deutsche Journalisten-Verband an der von den Filmemachern gesteuerten Medienkampagne, bei der zunächst nur ausgewählte Journalisten ausführlich über den Film berichten durften, während anderen strikte Auflagen gemacht und bei einem Verstoß sogar hohe Geldstrafen angedroht wurden.

Authentizität sei ihm wichtig gewesen - ohne Nostalgie-Gefühle, sagte Edel in einem Interview. Dies ist ihm gelungen, sind die Taten der Terroristen doch zu grausam, um viel Raum für Sympathie oder einen Revolutionsmythos zu lassen. 150 Minuten lang hält der Film die Zuschauer in einer bedrückenden Atmosphäre gefangen. Erschreckend sind die Kühle und die Selbstverständlichkeit, mit der die Terroristen «Bullen- und Justizschweine» und andere verhasste Gegner aus dem Weg räumen. Wie im Rausch durchsieben sie ihre Opfer mit Kugeln aus Pistolen oder Gewehren, schießen immer weiter auf die am Boden zuckenden Körper. Edel stilisiert die Protagonisten nicht zu Helden. Auch wenn manche ihrer Motive nachvollziehbar erscheinen, setzen sie sich mit ihren grausamen Taten ins Unrecht.

Die Filmbewertungsstelle Wiesbaden (FBW) verlieh dem Streifen deshalb auch das Prädikat «besonders wertvoll». Er versuche, sowohl den Terroristen wie auch den Vertretern der Staatsgewalt gerecht zu werden, indem er beide Seiten mit einer ähnlich objektiven Distanz beschreibt», begründete die FBW.

Die von German Films einberufene Fachjury entschied sie sich für den Film als den deutschen Beitrag im Wettbewerb um den Oscar für den besten nicht englischsprachigen Film. «Die großartige schauspielerische Leistung und die außergewöhnliche filmische Umsetzung der Geschichte erlaubt einen Blick auf die Zeit der frühen 70er Jahre der Bundesrepublik Deutschland, ohne dabei die Täter zu glorifizieren», hieß es zur Begründung der Fachjury unter dem Vorsitz von Alfred Hürmer.

Wer sich mit den Hintergründen der RAF wenig auskennt, dürfte allerdings vieles nicht verstehen. Es beginnt in der aufgeheizten Stimmung im Juni 1967, als der Schah von Persien Berlin besucht und der Student Benno Ohnesorg bei einer Demonstration erschossen wird. Dann Brandstiftungen, Banküberfälle, Bomben, Mordanschläge und das Abtauchen der RAF-Mitglieder in den Untergrund. Während die erste Terroristen-Generation im Knast sitzt, arbeiten die Nachfolger fieberhaft an ihrer Befreiung, der «Big Raushole». Dabei scheuen sie vor nichts zurück, so dass sogar Baader verzweifelt: «Was für eine Scheißaktion», wütet er, als er im Fernsehen die Bilder von der Besetzung der deutschen Botschaft in Stockholm mit drei Toten und vielen Verletzten sieht. Den Schlusspunkt setzen 1977 die Entführung der Lufthansa-Maschine Landshut, der Selbstmord von Baader und den anderen und schließlich die Ermordung Schleyers.

Über die Motive der Terroristen, die psychologischen Prozesse, schweigt der Film die meiste Zeit und überlässt es dem Zuschauer, sich sein eigenes Bild zu machen. Auch die Sicht der Opfer kommt nicht ausdrücklich vor, selbst wenn die Attentatsbilder aus der Opfer-Perspektive gedreht wurden. Doch all das macht den Film nicht minder sehenswert. «Der Baader Meinhof Komplex» lässt einen zweieinhalb Stunden nicht aus seinem Bann, was auch an der schnellen Schnittfolge liegt. Zwischendurch prasseln immer wieder alte Originalaufnahmen aus Film und Fernsehen fast salvenartig auf die Zuschauer ein. Am Ende hat man das Gefühl, als wäre eine ungeheure Welle an Wut, Verzweiflung und schierer Gewalt über einen hinweggerollt.