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Oper in Dessau-Roßlau Oper in Dessau-Roßlau: Wagners "Rheingold" im Bauhaus-Stil

Von johannes killyen 01.02.2015, 22:11
Die Farbe Weiß dominiert in Dessau: Ulf Paulsen (Wotan, li.), Javid Samadov (Donner), Anja Schlosser (Erda) und Albrecht Kludszuweit (Loge)
Die Farbe Weiß dominiert in Dessau: Ulf Paulsen (Wotan, li.), Javid Samadov (Donner), Anja Schlosser (Erda) und Albrecht Kludszuweit (Loge) claudia heysel Lizenz

dessau-rosslau - Macht hat ihren Preis, und die Götter werden ihn bezahlen. Einstweilen jedoch freut sich der unsterbliche Nachwuchs über die neue Götterburg. Während das Elternpaar unschlüssig auf das kubische Wunderwerk blickt. Und der ungeliebte Halbgott lieber draußen bleibt.

Wie ambivalent der Schluss von Richard Wagners Musikdrama „Das Rheingold“ ist, wurde Freitag bei der umjubelten Premiere am Anhaltischen Theater Dessau deutlich: Mit dickem Pinsel breitet der Meister da sein Regenbogen-Motiv aus, das blendend vom Triumph der Götter kündet.

Doch viel ist passiert, bis es dazu kommt: Betrug und Raub, Erpressung und Mord. Welten liegen zwischen dieser scheinheiligen Entrückung und dem unschuldigen Naturlaut zu Beginn des Werkes, das 1869 seine Uraufführung erlebte.

In umgekehrter Reihenfolge

Mit dem „Rheingold“ ist der Dessauer „Ring“ am Anfang und zugleich am Ende angekommen. In umgekehrter Reihenfolge hat der Regisseur und scheidende Intendant André Bücker den Untergang der Götter als Gleichnis auf die Macht der Bilder inszeniert: Nach dem finalen Systemabsturz in der „Götterdämmerung“, den virtuellen Bilderwelten des „Siegfried“ und der Hollywood-„Walküre“ findet das „Rheingold“ seinen Platz in der Frühgeschichte des Films.

Die nächsten Aufführungen: 21. Februar um 17 Uhr, 5. April um 19 Uhr, 13. Mai um 19.30 Uhr (ausverkauft) sowie am 23. Juni um 19.30 Uhr

Dieser stringente Ansatz wird ergänzt durch die am Bauhaus-Stil geschulte Ästhetik aller Inszenierungen und den Einsatz von Videoprojektionen (Frank Vetter und Michael Ott), die den Zuschauer mit ihrer Bilderflut stark fordern, aber konstitutiver Bestandteil der Lesart sind. So ist ein unverwechselbarer Dessauer „Ring“ entstanden, der die große Wagner-Tradition des mitteldeutschen Hauses im Geiste der Moderne fortschreibt.

Es gehört zu den Eigenheiten des musikalischen Regietheaters, dass bei aller Adaption die Musik unangetastet bleibt. So sangen die Sänger, spielte die Anhaltische Philharmonie die gleichen Noten wie vor 120 Jahren – und sie taten es großartig. Unter dem ebenfalls scheidenden Generalmusikdirektor Antony Hermus hat das Orchester an Transparenz und Selbstbewusstsein gewonnen und traf für das „Rheingold“, diese heimliche Komödie, den richtigen Ton: Nicht mulmig und schwer, sondern schillernd und leicht – mit romantischem Hörnerklang und warm timbrierten Holzbläsern.

Nur wenige Konzentrationsmängel waren im Graben zu registrieren. Dafür im Saal zu Recht frenetischer Beifall, als am Ende alle Instrumentalisten auf der Bühne erschienen. Zur farbigen Romantik der Musik setzen Jan Steigert (Bühne) und Suse Tobisch (Kostüme) Kontrapunkte in Schwarz und Weiß.

Die Rheintöchter, denen der Zwerg Alberich das Rheingold stiehlt, tummeln sich in einem weißen Zoetrop: ein optisches Gerät mit gegenläufigen Zylindern, das bewegte Bilder erzeugt. In weißen Gewändern handeln die Götter mit den ebenso weiß gekleideten Riesen Fasolt und Fafner um den Baupreis für die Götterburg Wallhall. Während ihre Ebenbilder im Hintergrund ein Eigenleben als Schattenrisse führen.

Im Halbdunkel der Höhlen Nibelheims zeichnen Kinder – welch gruselig-geniale Szene – im Akkord Bilder für Comicfilme, die dort heimlich entstehen. Denn Filme in goldenen Hüllen: Das ist die neue Technologie, die Alberich aus dem Rheingold gewonnen hat. Mit einem Ring der Macht, den Göttervater Wotan und Halbgott Loge dem Zwerg abnehmen als Preis für die Riesen, die Göttin Freia in ihrer Gewalt haben – die Hüterin der ewigen Jugend.

Vom verfluchten Ring mag Wotan freilich erst nach dem Rat der Göttin Erda lassen. Eine gute Entscheidung, weil Fafner im Streit um den Ring seinen Bruder Fasolt erschlägt. Der Weg nach Wallhall ist für die Götter frei. Das dominante Weiß der Inszenierung suggeriert Erstarrung, gegen die das Sängerpersonal aber grimmig komödiantisch anspielt: Überragend agieren Ulf Paulsen als Wotan und Albrecht Kludszuweit als Loge, eine der schönsten Wagner-Rollen überhaupt.

Einzug der weißen Götter

Stefan Adam überzeugt als wandelbarer Alberich, Ivan Turšic als weinerlicher Mime, während Javid Samadov und David Ameln als Donner und Froh etwas zu nah am Slapstick sind. Rita Kapfhammer bietet als Fricka dem Göttervater Paroli und kämpft um die verletzliche Freia (Angelina Ruzzafante). Fasolt und Fafner (Stephan Klemm, Dirk Aleschus) poltern rollengemäß, kennen aber auch lyrische Töne. Anja Schlosser ist eine sehr diesseitige Erda.

Nicht nur Riesen und Zwerge finden im Dessauer „Rheingold“ ein schlechtes Ende: Zum Einzug der Götter in Wallhall tippeln die ihres Goldes beraubten Rheintöchter (Katharina Göres, Jagna Rotkiewicz, Anne Weinkauf) als Greisinnen über die Bühne. Und mahnen ohnmächtig: „Falsch und feig ist, was dort oben sich freut.“ (mz)