Oper Halle Oper Halle: Henriette Hörnigk bringt "Die Dreigroschenoper" auf die Bühne

Halle (Saale) - In der „Dreigroschenoper“ könnte wohl jeder Theaterfreund ab einem gewissen Alter viele Songs mitsingen. In der jüngsten Gemeinschaftsproduktion des Neuen Theaters und der Oper Halle wird nach der Pause aus dem „könnte“ ein „sollen“. Und es funktioniert: Das Publikum singt mit. Den Mackie-Messer- Song, was sonst. Laut und leise. Da grinst der Haifisch sich eins. Da schwappt der Drive, der vor 90 Jahren die Gemüter erhitzte, über jedes Verfremdungsgebot hinweg direkt ins Gemüt.
Damit hatte es schon angefangen, als Harald Höbinger als Moritatensänger mit leichter Brecht-Anmutung zu Beginn diesen Song aus einer kleinen Spieluhr zauberte und dann die ganze Truppe für diesen Hit vor den Vorhang zitierte.
Wie gut, dass die „Dreigroschenoper“ nach 15 Jahren wieder mal auf eine hallesche Bühne kommt. Diesmal auf die des Opernhauses. Mit einer „Dreigroschen“-Variante der Staatskapelle (ein gutes Dutzend Musiker) im hochgefahrenen Graben, die Michael Wendeberg vom Klavier aus leitet. Und das, obwohl die Musiker von Mackies Gangstertruppe ziemlich ruppig an ihren Arbeitsplatz getrieben wurden.
Fabelhafte Musiker nn der „Dreigroschenoper“
Das machen sie fabelhaft. Die Musik dann um so mehr. Auf die Drehbühne hat Ausstatterin Claudia Charlotte Burchard ein verlottert urbanes Mehrzweck-Etablissement gebaut. Im zweiten Teil ist Platz für die Zelle gleich hinter der Leuchtreklame des Hotels. Matthias Brenner lässt sich (ohne Ego-Problem) von seiner Chefdramaturgin Henriette Hörnigk als Peachum in Szene setzen. Dass es ihm gelingt, das Publikum zum Mitsingen zu animieren, spricht für ihn und für die Qualität des guten alten Erbstücks aus der Abteilung Klassenkampf und Sozialkritik.
Wobei es Brecht vor allem um eine Dialektik geht, die nicht nervt, sondern als Bonmot hängenbleibt. Wenn er etwa die Gründung einer Bank mit dem Einbruch in solch ein Institut vergleicht und suggeriert, dass das erste fieser als das zweite ist - das versteht jeder, stimmt trotzdem nur halb. Auch über das Primat von Fressen und Moral ließe sich trefflich streiten. Wenn man aber zu dieser Musik hört, dass erst das Fressen und dann die Moral kommt, dann glaubt man das einfach. Die Verhältnisse, die sind halt so. Oder eben nicht.
Dieser „Dreigroschenoper“ glaubt man, weil sie nicht in Cent umgerechnet wird. Ein paar Körnchen Gegenwartsaroma, eine Prise Slang dazu - dieser Abend setzt voll auf Theater und ein Ensemble, das es drauf hat. Der erste Dialog im Hause Peachum zieht sich etwas, doch von da an wartet man sehnsüchtig auf jeden Auftritt von Celia Peachum, denn Elke Richter übertrifft sich selbst: Kann Kurs beim Torkeln halten, Slapstick und fabelhaft singen. Brenner hat für seinen Peachum neben aller Ironie auch einen Zipfel Theaterkönigswürde dabei. Natürlich ist Martin Reik als Mackie Messer eines der Pfunde dieser Inszenierung. (Na, ja - ein paar mehr als eins...) Raumfüllend präsent, fantastisch bei Stimme, der sympathische Ganove von nebenan, dem die Frauen natürlich zu Füßen liegen.
Zickenkrieg vom Feinsten
Wunderbar wie Annemarie Brüntjen als Polly die Höhe der Seeräuber-Jenny erklimmt oder wie Ines Lex als Lucy mal kurz über dem Kinderwagen die vokale Tür zur großen Oper öffnet. Eine Show für sich ist es, wenn die beiden Frauen beim Knastbesuch aufeinander losgehen - Zickenkrieg vom Feinsten. Toll auch, wie Till Schmidt (Münzmatthias), Karl-Fred Müller (Hakenfingerjakob) und Jörg Simonides (Sägerobert) die Gangstertruppe hintrotteln. Oder wie Bettina Schneider als Spelunken-Jenny ihre Huren kommandiert, Peter W. Bachmann zwischen Pastor, Bulle und Hure sowie Hagen Ritschel zwischen Nachwuchsbettler, Hure und Tanzfee wechseln. Und wie Matthias Walter seinen Tiger-Brown dazwischen schlackst. Den reitenden Boten des Königs (oder der Königin?) übernimmt hier der Moritatensänger Brecht als fliegender Superman-Engel.
In der Oper Halle vertrauen sie dem Stück und dem, was sich die Leute dabei denken (können). Und sie gewinnen. Jubel ohne Widerspruch. Auch mal schön.
Nächste Vorstellungen am 25. Februar um 15 Uhr, 2. März um 19.30 Uhr (mz)