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Verlierer auf der Leinwand, Gewinner beim Publikum Olsenbande: Verlierer auf der Leihnwand, Gewinner beim Publikum - Wie Egon Olsen, Benny und Kjeld zu Stars in der DDR wurden

Von Steffen Könau 06.10.2018, 10:00
Kjeld, Egon und Benny feierten im Oktober vor 50 Jahren Kinopremiere. Vor allem in der DDR wurden sie zu Stars.
Kjeld, Egon und Benny feierten im Oktober vor 50 Jahren Kinopremiere. Vor allem in der DDR wurden sie zu Stars. dpa

Halle (Saale) - Egon sieht auf einmal ganz anders aus. Aber er tut dasselbe wie immer an dieser Stelle von „Die Olsenbande sieht rot“: Melone auf dem Kopf, Zigarrenstummel im Mund, schaut der Chef von Dänemarks bekanntester Verbrecherbande konzentriert auf ein Notenblatt.

Und mit einem Kopfnicken dirigiert er den Schlagbohrereinsatz seines Gangsterkollegen Benny tief unten unter dem Königlichen Theater, aus dem das Trio eine tausend Jahre alte chinesische Vase zu stehlen beabsichtigt.

Das Seltsame nur: Egon Olsen sieht nicht so aus wie er. Auch Benny und Kjeld, die beiden ewigen Gehilfen des Mannes mit dem Plan, sind nicht dieselben. Selbst Borge, der neunmalkluge Sohn von Kjeld, ist ein ganz anderer als der, den die Fans der am 11. Oktober vor 50 Jahren gestarteten Kinofilm-Serie um die Olsenbande kennen: Statt des langhaarigen blonden Brillenjungen schleicht auf einmal ein schmaler Schwarzhaariger durch die Kulissen.

Olsenbande wird in der DDR zum Hit

Kein Wunder, denn diese Olsenbande ist nicht die aus Dänemark, sondern eine norwegische Adaption, die den Spuren des Originals vom ersten Film „Die Olsenbande“ auf Schritt und Tritt folgte. Mit den Drehbüchern aus Dänemark und norwegischen Schauspielern filmte der norwegische Regisseur Knut Bohwim die Abenteuer der Nachbarn einfach nach, anfangs punktgenau, später mit größer werdendem eigenen Interpretationsraum.

In Norwegen kam das an, genau wie es sich Bohwim zuvor gedacht hatte: Sollen wir das Original aus Dänemark importieren?, war er gefragt worden. „Nein, das wird nichts - aber wenn wir eine norwegische Fassung machen, wäre es etwas ganz anderes“, hatte er geantwortet.

Eine Frage, die in der DDR nie stand. Das südliche Nachbarland Dänemarks kaufte die Kinorechte für das erste Olsenbanden-Abenteuer bereits 1970, als es gerademal zwei Filme gab. Im Freilichtkino-Sommer dann verliebten sich zwei ineinander: Hier die dänischen Kleinkriminellen, verfolgt von Pech und an guten Tagen immer noch ohne viel Glück. Und dort die DDR-Bürger, die für 1,40 Mark Eintritt in der Spätvorstellung des Kinos „Goethe-Lichtspiele“ sehen konnten, dass auch im Westen nicht alles Gold ist, was in einem Tresor Marke „Franz Jäger“ Berlin liegt.

Die drei verzweifelten Glücksjäger auf der Leinwand, sie waren mehr DDR-Bürger als viele DDR-Bürger. Egons Improvisationstalent war Grundvoraussetzung für ein Überleben im Arbeiter- und Bauernstaat, ebenso Kjelds Furcht vor Regelübertretungen und Yvonnes grundlose Träumerei von einem Leben, das noch einmal ganz anders und anderswo neu anfangen werde, sobald es der Bande nur einmal gelinge, etwas richtig zu machen.

Bestsellerautor Uwe Tellkamp: „Diese Filme waren ein Fenster in die verbotene Welt jenseits der Mauer“

Trabi-Bastler und Fernwehgeplagte, in Tauschgeschäften Erfahrene und Liebhaber eines sehr direkten Humors fanden sich vereint in der Wertschätzung der Filmkunst aus Kopenhagen, die manchmal wirkte wie unfreiwillig komisch.

Dabei war Ove Sprogøe, der den Egon Olsen als schmalen Opa im Oldtimeranzug mit versteinerten Gesichtszügen spielte, eigentlich ein Charakterdarsteller. Morten Grunwald, der große Mann mit dem kleinen Hütchen und den gelben Socken, der immer so komisch hüpfte, leitete jahrelang verschiedene dänische Theater. Und Poul Bundgaard, der lahme Tropf im Samtjackett, war nicht nur ein erfolgreicher Bühnenschauspieler, sondern auch ein begnadeter Operettentenor, der rund 200 Schallplatten veröffentlichte.

Zusammen ergab das einen bunten Haufen Verlierer, der DDR-Bürgern „den Blick in eine andere Welt ermöglichte“, wie Morten Grunwald später vermutete. Nicht ins weit entfernte Amerika zwar, das Traumland vieler Ostdeutscher, sondern nur nach Dänemark. Aber „es gab ein viel geringeres Angebot an Filmen als im Westen“, glaubt Grunwald, der inzwischen der letzte Überlebende der Bande ist, „und den Traum von Freiheit und einem anderen Dasein.“

In der Zuschauergeneration, die „Die Olsenbande stellt die Weichen“ im Kleinstadtkino sah, erlangte das Trio Kultstatus, wie der Dresdner Bestsellerautor Uwe Tellkamp („Der Turm“) bestätigt. „Auf den Holzklappstühlen erste Reihe, mit bald schmerzendem Hintern und weit in den Nacken gereckten Köpfen haben wir gesessen“, erinnert er sich, „nichts sollte uns entgehen, denn diese Filme waren ein Fenster in die verbotene Welt jenseits der Mauer.“

Gangster sein, so gewitzt wie Egon, dem alles schiefgeht, weil er so genau plant, dass nichts schiefgehen kann - ein Traum. Dass es am Ende dann doch nichts wird, ist schon am Anfang klar, ebenso wie der Auftritt des ewigen Gegenspielers „das dumme Schwein“, der tumben Kriminalisten im kleinkarierten Jackett und der als Karikaturen angelegten Kapitalistenfiguren.

Die Tragik kleiner Leute mit großen Träumen, nur eben mal nicht in der DDR, sondern dort, wo in der Vorstellungswelt vieler DDR-Bürger Milch und Honig flossen. Die Olsenbande, erdacht im Jahr 1967 vom Autorenduo Erik Balling und Henning Bahs, will stets das ganz große Ding landen. Doch nie klappt es. Das war, so schien es manchem, eine ziemlich zutreffende Beschreibung auch des schwindsüchtigen Sozialismus in der DDR, dessen Anführer alles mit großen Plänen immer nur noch besser zu machen versprachen. Obwohl es schon vorher nicht einmal gut gewesen war.

Fankurve im Netz: www.olsen-bande.com