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Oliver Polak Oliver Polak: Unterwegs auf schmalem Grat

26.03.2012, 17:21

köln/MZ. - Oliver Polak, 1976 geboren im niedersächsischen Papenburg, ist seit 2006 als Comedian unterwegs. Sein Vater hat als deutscher Jude mehrere Konzentrationslager überlebt und ist nach dem Krieg in seine Heimatstadt Papenburg zurückgekehrt. Seine Mutter, eine studierte Germanistin, ist 1975 aus dem damaligen Leningrad nach Deutschland gekommen. Oliver Polak besuchte mehrere Schulen in Leer und Papenburg. Das Abitur legte der heute 35-Jährige am Carmel College ab, einem jüdischen Internat in England. Nach einem Praktikum bei Viva trat er als Co-Moderator bei der Viva-Family auf und moderierte ein Jahr lang den Disney Club auf RTL. Mit Oliver Polak sprach Harald Biskup.

Herr Polak, Ihr neues Programm heißt wie Ihre Biografie "Ich darf das, ich bin Jude". Leiten Sie aus Ihrer Herkunft einen Freibrief ab?

Polak: Diese Frage kann man mir, glaube ich, so nur in Deutschland stellen. War einfach ein Gag, mein Buch und die Show so zu nennen, nicht mehr, nicht weniger. Nachdem immer wieder Leute zu mir gekommen sind, die nach irgendeinem Gag gesagt haben: Ja, du darfst das, du bist ja schließlich Jude. Absurd!

Sie kokettieren mit dem Tabubruch. Gibt es einen Punkt, wo Sie für sich sagen, bis hierhin und nicht weiter?

Polak: Ich wüsste nichts, von dem ich auf Anhieb sagen würde, darüber mache ich keine Witze. Es kommt bei mir als Stand-up-Comedian immer stark auf die Situation an. In mancher Leute Augen bin ich manchmal vielleicht politisch unkorrekt, aber wer definiert das? In Deutschland wird "political correct" anders als in den USA, wo der Begriff aus einer Bewegung in den 60ern entstanden ist, deformiert benutzt. Man vergisst, dass das, was ein Komiker erzählt, immer in einem Comedy-Kontext stattfindet. In Deutschland wird immer gleich alles tiefgründig analysiert, weil die Leute Angst haben vor der eigenen, nicht vorhandenen Zivilcourage. Comedy bei uns ist zu 90 Prozent Wellness-Comedy. Was Tabus angeht: Ich würde mein Programm nicht "Ein Jude gibt Vollgas" betiteln.

Als Kind dachten Sie, Jesus sei der Juniorchef von UPS, der die Weihnachtssgeschenke verteilt. An anderer Stelle sagen Sie, Ihnen habe nicht die Gestapo im Rücken gesessen - "nur meine Mutter, und von den Methoden gibt es da keinen großen Unterschied". Typisch für Ihren Humor?

Polak: Ja, unbedingt, denn das ist Realsatire. Humor entsteht für mich durch Absurdität und das Unerwartete. Meine Biografie, aufgewachsen in der einzigen jüdischen Familie in Papenburg, dem New York des Emslandes, liefert einfach ein perfektes Set-up.

Das nicht wenige aus der KZ-Generation vor den Kopf stößt.

Polak: Wer sagt das? Mag sein, dass einige Schwierigkeiten damit haben, wenn ich in der Show deutsche Juden mit Pandabären vergleiche: Es gibt nicht mehr viele von uns. Da denken sich wahrscheinlich manche Zuschauer: Ich guck mir lieber noch einen an, bevor es zu spät ist!

Mein 86-jähriger Vater liebt vielleicht nicht meine Fäkalsprache. Sonst hat er keine Probleme mit meinem Humor. Ich habe bei den Jüdischen Kulturtagen in Frankfurt vor 500 Leuten gespielt, und keiner ist früher gegangen. Aber als Komiker bewegt man sich halt auf einem schmalen Grat des Missverstandenwerdens.

Ihre Gags sind frech, schräg, manche derb. Was ist Ihr Markenzeichen?

Polak: Ich versuche, möglichst keine Pointen nach dem Muster "Frauen können nicht einparken" oder "Schwarze haben lange Schwänze" zu machen. Mein Humor richtet sich in erster Linie gegen mich selbst und dann gegen alles andere. Mir geht es nicht darum, Witze auf Kosten von Juden zu machen, aber es ist halt meine Herkunft und meine Geschichte, und die ist nun mal ziemlich absurd.

Was würde passieren, wenn einer Ihrer nichtjüdischen Kollegen mit Ihrem Programm durch die Lande tourt?

Polak: Ich würde ihn anzeigen, wenn er meine Gags klaut. Wo die Grenzen des Humors sind, muss jeder Künstler mit sich selbst ausmachen. Ich bin nicht die Bundesprüfstelle für judengefährdende Witze.

Und ich will mich übrigens nicht immer zu Henryk M. Broder äußern müssen oder Israels Siedlungspolitik kritisieren, um als Jude Judenhassern den Antisemitismus zu legitimieren.

Sollten zart besaitete Zeitgenossen lieber zu Hause bleiben?

Polak: Nein, wieso denn? Auch Neonazis sollen ruhig vorbeikommen. Die zahlen bei mir nur die Hälfte, wenn sie sich ausweisen können. Die können noch was lernen...Wer sich meine Shows ansieht, ist aber noch nicht automatisch der bessere Deutsche.

Haben Sie eine Botschaft, die Sie vermitteln wollen?

Polak: Ich bin nicht politisch im strengen Sinne, aber vielleicht bin ich selbst ja ein Politikum. Mir geht es um Komik, um das Absurde. Zum Beispiel dass es wahrscheinlich die größte Sorge von Apple-Gründer Steve Jobs als Buddhist war, dass er in seinem nächsten Leben auf Windows läuft. Gute Comedy soll die Leute nicht nur zum Lachen bringen, sondern auch zum Nachdenken. Und im Idealfall auch berühren.

Wollen Sie mit Ihren Auftritten dazu beitragen, das noch immer nicht unbefangene Verhältnis zwischen Juden und Nichtjuden zu entkrampfen?

Polak: Dafür fühle ich mich absolut nicht zuständig. Das eine ist die deutsche Geschichte mit allem, was dazugehört, das andere meine ganz persönliche Biografie. Mein Programm ist aber keine Absolution für alle, die glauben, jetzt wären plötzlich irgendwelche Holocaust-Gags so einfach salonfähig.