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Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen: Sex in der Antike war alles andere als verklemmt

Von Ira Kugel 18.11.2008, 09:36
Zwei Frauen blicken im Archäologischen Museum in Münster in Ausstellungsvitrinen. Im Vordergrund ist eine Gips-Skulptur des Herakles zu sehen. (FOTO: DPA)
Zwei Frauen blicken im Archäologischen Museum in Münster in Ausstellungsvitrinen. Im Vordergrund ist eine Gips-Skulptur des Herakles zu sehen. (FOTO: DPA) dpa

Münster/dpa. - Für das heutige Verständnis gingen Künstler, aber auch dieAdelsgesellschaft, mehrere Jahrhunderte vor Christi Geburt sehrungezwungen mit Nacktheit und Sexualität um. Tiefe, und mituntervoyeuristische Einblicke in das erotische Leben der Römer undGriechen gibt die Ausstellung «Sex in der Antike», die bis 22. Januarim Archäologischen Museum in Münster zu sehen ist.

«Die alten Griechen und der Weingenuss, das liegt nahebeieinander», scherzt Torben Schreiber, der die erwartungsvollenBesucher durch die Ausstellung führt. Und so sei es auch nichtverwunderlich, dass die Trinkgelage Einzug in die griechischeKleinkunst fanden. Schon das Geschirr für die Feste hatte erotischeZüge. «Es wurden bisweilen Trinkgefäße benutzt, die die Form einerweiblichen Brust hatten», erklärt der 26-Jährige. Weil das Gefäßhalbrund war, konnte es nicht abgestellt werden und musste in einemZug ausgetrunken werden. Auf einem anderen Weingefäß ist ein Satyr,ein wolllüstiges Mensch-Tier-Wesen, zu sehen, das es mit einerAmphore treibt. Ein weiteres zeigt Männer und Frauen beim Gruppensex.

«Deshalb hat das Volk aber nicht unbedingt freizügiger gelebt»,sagt Schreiber. Die Nacktheit habe eher eine stilisierende Bedeutunggehabt. Erst seit dem 8. Jahrhundert vor Christus seien Männer undnatürlich auch die Götter nackt dargestellt worden, Frauen erstdeutlich später. Besonders in Adelskreisen hätten bestimmteVorstellungen und Werte vorgeherrscht, wie ein durchtrainierterMännerkörper auszusehen habe. Weil sich die Aristokraten gottgleichgefühlt haben, hätten sie sich oft nackt und mit stählernen Muskelnin der Kunst präsentiert. «Ob sie in Wahrheit tatsächlich soaussahen, sei dahin gestellt», erklärt Schreiber.

Auch in die Privatgemächer der alten Griechen gewährt dieAusstellung Einblicke. Damals habe die Frau eine eher untergeordneteRolle gespielt, sagt Schreiber. Der Hausherr habe nicht nur mit ihr,sondern auch mit Konkubinen den Beischlaf gepflegt. Deshalb sei aufeinigen Malereien auch nicht eindeutig zu erkennen, ob es sich um dieEhefrau oder die Geliebte handle. In den Schlafzimmern hättenvermutlich Öllampen gestanden, auf denen Sexualakte abgebildet waren.Sie sollten der Inspiration des Hausherren dienen.

Begeistert von der Ausstellung ist die 86-Jährige Gisela Schultz-Prange: «Ich bin überhaupt nicht überrascht und auch nichtschockiert», sagt die rüstige Rentnerin, «das hat man doch in Bücherngelesen». Wesentlich überraschter ist hingegen die 21-jährige JudithStander. «Prüde waren die ja nicht gerade», sagt die Studentin. «Dasssolche Bilder zu sehen sind, hätte ich nicht erwartet.» Nicht umsonstist Jugendlichen unter 16 Jahren der Zutritt zur Ausstellung nur inBegleitung Erwachsener gestattet.

«Manches ist skurril und mit unserer heutigen Vorstellung nicht zuverbinden», sagt Schreiber. «Einiges ist sicher als pornografischeinzustufen.» Besonders der Umgang mit der Päderastie, dersogenannten Knabenliebe, sei problematisch. Auf einer Kanne sei zusehen, wie sich ein bärtiger älterer Mann einem Jüngling nähere. DieKnabenliebe sei Bestandteil der griechischen Adelsethik gewesen, sagter. Genauso wie ins Reiten oder Schießen seien die jungen Männer indie Sexualität eingeführt worden.

Die Frauen hingegen wurden in der Antike erst recht spät nacktdargestellt - und die Skandalgeschichten haben dann nicht lange aufsich warten lassen: So sei im 4. Jahrhundert vor Christus eine Figurder Aphrodite von Knidos für einen Tempel gefertigt worden, sagtSchreiber. Es werde erzählt, dass ein Mann sich so sehr in dieSchönheit der Statue verliebt hatte, dass er sich über Nacht imTempel versteckte und einschließen ließ. «Am nächsten Morgen sei ihrBein befleckt gewesen», sagt Schreiber. «Das sind also dieSkandalgeschichten, die die Antike überliefert.»

Die Ausstellung «Sex in der Antike» ist bis 22. Januar imArchäologischen Museum der Universität Münster zu sehen.

Zwei Frauen blicken am Montag (17.11.2008) im Archäologischen Museum in Münster auf das Hinterteil einer Gips-Skulptur des Herakles. (FOTO: DPA)
Zwei Frauen blicken am Montag (17.11.2008) im Archäologischen Museum in Münster auf das Hinterteil einer Gips-Skulptur des Herakles. (FOTO: DPA)
dpa