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Nordharzer Städtebundtheater Nordharzer Städtebundtheater: Stimmen aus dem Riemann-Musiklexikon

Von Johannes Killyen 29.01.2004, 17:54

Quedlinburg/MZ. - Natürlich hat sich der Komponist Tom Johnson seine "Riemannoper", die nun ihre Premiere auf der Quedlinburger Bühne des Nordharzer Städtebundtheaters feierte, so nicht gedacht. Mehr noch: Johnson hat auf ein Szenario gleich ganz verzichtet und diese Arbeit dem Regisseur überlassen. Was der Amerikaner mit Wahlheimat Paris vorgibt, könnte man als LexikonOper bezeichnen: ein experimentelles Stück Musiktheater, dessen Libretto aus Artikeln einer nicht mehr ganz taufrischen Ausgabe des renommierten Riemann-Musiklexikons besteht.

Die Protagonisten: vier Fleisch gewordene Stimmgattungen. Das Ergebnis ist unter der bodenständigen, doch subtilen Regie von Renate Zürn erst einmal amüsant: Der lyrische Tenor (Paul Batey) besingt das Wesen eines Kirchenrezitativs, der Bariton (ein echter Bass: Norbert Zilz) erschöpft sich restlos in der Triumpharie, die Primadonna (Gerlind Schröder) streitet - "wie es im Buche steht"- mit der Primadonna "assoluta" (Gabriele Rösel) um die Vorherrschaft. Man säuft im Quartett, liebt sich zum Galopp und beschwört in einer "Ombra-Szene" gemeinsam die Geisterschar, bis irgendwann das Leitmotiv wie ein Todesbote in die fidele Rentnertruppe bricht.

Hätte Tom Johnson zur musikalischen Ausmalung dazu noch Versatzstücke aus Werken großer Meister genommen, wäre der Erfolg kaum auszuhalten gewesen. Als Minimalist in der Tradition von Steve Reich und Phil Glass ging es ihm freilich nicht nur um Spaß.

Johnson beschränkt die Begleitung auf ein Klavier (mit Chaoten-Mähne: Chefdirigent Johannes Rieger) und das Tonmaterial im Wesentlichen auf zwei Töne und 08 / 15-Akkorde, die zwar geschickt verarbeitet werden, doch den Gesang schonungslos der Kläglichkeit und Vorhersehbarkeit preisgeben. Gleiches gilt für die auftragsgemäß um Illusion bemühte Regie, der unablässig der feste Boden entzogen wird. Letztlich spürt Johnson in dieser sich selbst erklärenden Oper mit erkenntnistheoretischem Blick der Frage nach, ob musikwissenschaftliche Abhandlungen Musik auf den Begriff bringen können. Nach der Antwort muss, wie könnte es anders sein, der Zuschauer selbst suchen.

Nächste Aufführungen: Heute und am 4. Februar, jeweils 19.30 Uhr, beide Kammerbühne Halberstadt