Niklas Frank Niklas Frank: Ein Sohn sucht seine Kindheit jenseits des Traumas
Berlin/MZ. - Das hat mit dem Trauma seiner Herkunft zu tun. Von dem er sich befreien will und das er doch nicht los wird. Deshalb schreibt er ja darüber. Ende der achtziger Jahre erschien das Buch über seinen Vater, den Obernazi Hans Frank, "Generalgouverneur" von Polen, der ein Schlächter war und nach dem Krieg hingerichtet worden ist.
Jetzt legt Frank, der 20 Jahre lang als Reporter beim "Stern" gearbeitet hat, den Band "Meine deutsche Mutter" vor - einen Lebensroman aus eigener Erinnerung, Erzählungen einer Freundin der Mutter und stenografischen Notizen der Brigitte Frank, geborene Herbst, selbst. Die Darstellung ihres kalkulierten, mit Sex, Lügen und Erpressung bewerkstelligten Aufstiegs vom armen Mädchen aus Forst in der Lausitz zu einer der einflussreichsten Frauen im "Dritten Reich" ist eindeutig das, was wir auf gut Schablonendeutsch eine schonungslose Abrechnung zu nennen pflegen.
Aber in der Hauptsache ist der Wälzer, den Frank am Montagabend im Jüdischen Museum in Berlin vorstellte, ein Schmerzensbuch. So locker und spannend es geschrieben ist, so sehr es sich mit geschickter Dramaturgie und Ironie um Souveränität bemüht, bleibt es bei aller aufklärerischen Absicht vor allem auch die Verlustmeldung eines Mannes, der seine Kindheit - und die Mutter vermisst. Dagegen wird der 1939 geborene Frank mit allen Kräften nicht anschreiben können. Seine Antworten im Gespräch, das auf die Lesung folgt, stellen das einige Male wohl eher ungewollt (und umso schmerzlicher) bloß.
Als Vorteil gegenüber den Kindern anderer prominenter NS-Täter nennt er den Namen Frank: "Das ist, als ob man Müller heißt". Dank dieses Umstands sei er nicht auf den Vater angesprochen worden, habe die Verbrechen seiner Eltern mit sich ausmachen können. "Man muss es anerkennen", sagt Niklas Frank, "und den Schmerz leben". Ein tapferer, glaubwürdiger Satz, den man unterschreiben kann.
Über die Tiefe des Schmerzes sagt er fast nichts. Die lässt sich ahnen, wenn Frank seine Geschichte immer wieder in den großen Kontext sortiert (wohin sie selbstverständlich gehört) und damit Distanz herstellt. Frank betont, es gehe ihm nicht um seine Eltern, sondern um die Verbrechen. Seine Kritik an der Lust am Verdrängen bringt er auf den provozierenden Punkt: "Wir sind noch keinen Zentimeter von Auschwitz entfernt." Und er sagt auch, dass er sich aufrege über die distanzierende, quasi entschuldigende Verwendung des Wortes Nazi: Als ob da ein Stamm fern aus der Mongolei über uns gekommen sei, als ob es nicht von den Menschen selbst gekommen wäre. Als ob sie nicht alle davon profitiert hätten.
Aber, fragt man sich, wie war sein persönliches Verhältnis zur Mutter, die 1959 gestorben ist - zurück in den armseligen Verhältnissen, aus denen sie gekommen war? Sie liebten einander wohl schon, räumt er ein, er hat sie für ihre Stärke bewundert. Manches in Franks Rede wirkt regelrecht bizarr. Drei seiner vier Geschwister sind gestorben - das waren die Verteidiger des Vaters: "Wenn man Beweise nicht anerkennt, stirbt man an der Lüge".
Niklas Frank ist ein bitterer Mann. Er hört die "Versöhnler" schon gegen sein erbarmungsloses Buch wettern. Er will und wird sich nicht versöhnen. Auch mit der Mutter nicht. Aber er vermisst sie doch.
Niklas Frank: "Meine deutsche Mutter", C. Bertelsmann, 478 Seiten, 22,90 Euro.