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Nienburg Nienburg: Eine Klosterkirche auf der Höhe der Zeit

Von Günter Kowa 13.08.2004, 17:18

Nienburg/MZ. - So geht heute Abend ein zweitägiges Symposium zu Ende, bei dem Architekturhistoriker neues Licht auf die Baugeschichte lenken wollen. Von dem Bau, den Heinrich weihte, steht freilich kein Stein mehr. Ebenso kennt man den ottonischen Nachfolger von 1042 bis 1060 fast nur von Grabungen.

Die förderten aber immerhin Bruchstücke zutage, die der Dresdner Denkmalpfleger Udo Lorenz noch als Student zum Puzzle eines Stuckfußbodens zusammengesetzt hat. Ausgestellt im westlichen Joch der Kirche, ist mehr zu erraten als zu betrachten, wie die Benediktiner das Thema Weisheit mit einem Bildprogramm von Philosophen und Tugenden illustrierten, das sie um König Salomo anordneten.

1242 aber brannte auch dieser Bau ab. Danach stieg mit dem Chor eine Kirche in die Höhe, die in der Frühgotik des Doms zu Magdeburg ihr Vorbild fand. Kaum Schmuck und einfache, schlanke Lanzettfenster hätten ein schlicht-solides Gepräge verbreitet, wie heute noch an der Chorpartie und den Außenmauern der Querhäuser abzulesen ist. Doch 1280 brannte es erneut, und danach setzte der Bauherr einen tiefen Einschnitt in die Planung. Das Ergebnis war die "Hallenkirche" des Langhauses. Diese ist der eigentliche architektonische Höhepunkt, der das Kleinod an der "Straße der Romanik" zum Mekka der Bewunderer der Gotik macht.

Warum dieser stilistische Umschwung? Zumal der Bautypus der Halle, bei dem die Seitenschiffe zur Höhe des Mittelschiffs hochgezogen werden, wohl bei den Bettelmönchen, kaum aber bei den älteren Orden verbreitet war.

Hat der Bauherr Graf Bernhard von Anhalt, der 1272 die Brandenburger Linie des Fürstentums begründete, auf der Höhe der Zeit sein wollen? Tatsache ist, Nienburg gehört zu den ersten gotischen Hallenkirchen in Deutschland. Was die Gotik betrifft, war es ab 1248 zuerst der Kölner Dom, der mit französischem Kathedralsstil reinsten Wassers den Bauherren diesseits des Rheins den Neid in die Knochen trieb. Allerdings wuchs die Pracht nur langsam in die Höhe, weil sie finanziell alle Maßstäbe sprengte.

Dem uneingeschränkt nachzueifern, verbot sich andernorts. Auch bei St. Elisabeth in Marburg, wo das Grab der 1234 heilig gesprochenen Landgräfin Pilgerströme lockte. In Gotik pur, aber ohne überbordende Prachtfülle wurde das Langhaus ca. 1270-1283 als Hallenbau entworfen. Dieser Vorreiter fand ganze Serien von Nachahmern vor allem in Westfalen.

Jedenfalls drangen Einflüsse aus diesen Vorbildern nach Nienburg. So war der Hallenbau das Nonplusultra, und er zeigt vor, was in Mode war: schlanke Bündelpfeiler, fein profilierte Rippen, geometrisches Fenstermaßwerk. Aber nach dem dritten Joch geriet der Bau ins Stocken. Der ältere Chor wurde gar nicht mehr, die Westpartie samt Turm erst um 1500 angefasst. Vielleicht hat der Braunschweiger Bauforscher Klaus Albert Höller mit seiner These recht, die er dem Symposium vorstellte: Dass das Modell einer komplett durchgestalteten hochgotischen Kirche, das der Stifter des Klosters auf seinem erst Mitte des 13. Jahrhunderts geschaffenen Grabmal in der Hand hält, den Bau zeigt, wie er werden sollte.

Aus dem Festprogramm: So, 17 Uhr, "Thomas-Messe", Fr, 19.30 Uhr, Konzert.